Selbstbewusster Arbeitskampf im „Rust Belt“ der USA

Autobauer stehen auf

Benjamin Gnaser

Seit Mitte September bestreiken die United Auto Workers (UAW) Betriebe der „Großen Drei“ – der Automobilkonzerne Ford, GM und Stellantis (Chrysler) in den USA. Die Gewerkschaft fordert für die Beschäftigten 36 Prozent mehr Lohn auf vier Jahre und eine Anpassung an die Inflation. Darüber hinaus will sie mit dem Streik die Abschaffung der Lohnabstufungen zwischen Arbeitern unterschiedlicher Verträge, die volle Wiederherstellung der betrieblichen Kranken- und Rentenversicherung und den Schutz vor Werksschließungen infolge des Umstiegs auf die E-Auto-Produktion erreichen. Viele dieser Maßnahmen, die aufgehoben werden sollen, hatte die UAW in Krisenzeiten den Konzernen als Zugeständnis gemacht, um Arbeitsplätze zu erhalten (siehe UZ vom 15. September). Der diesjährige Streik gilt als historisch, da die Gewerkschaft erstmals alle drei Autokonzerne gleichzeitig bestreikt anstatt – wie sonst üblich – einen Pilotabschluss bei einem von ihnen zu erreichen.

Der Ausstand, den UAW-Vorsitzender Shawn Fain ausgerufen hat, ist kein Vollstreik, sondern ein sogenannter „Stand up“-Streik. Dabei legten die Belegschaften einzelner Betriebe der drei Konzerne die Arbeit nieder. Bis Anfang Oktober wurde der Streik wöchentlich ausgeweitet, so dass sich nun 25.000 der rund 150.000 betroffenen Gewerkschaftsmitglieder im Ausstand befinden. Infolgedessen waren die Unternehmen bereits gezwungen, den Betrieb einzelner Produktionsstätten, die nicht bestreikt werden, wegen Mangel an Nachschub stillzulegen.

Der Arbeitskampf der Autobauer ist Zeichen eines allgemeinen Streik­aufschwungs in den USA. Bereits im August erreichte die Zahl der Ausfalltage durch Streik mit 4,1 Millionen einen Wert, wie es ihn zuletzt im Jahr 2000 gegeben hatte. Anfang Oktober standen dann nach Berechnungen von „People’s World“ 300.000 Beschäftigte gleichzeitig im Arbeitskampf – für das Land mit seinen relativ schwachen Gewerkschaften ein hoher Wert. Neben den Mitgliedern der UAW haben unter anderem die Beschäftigten des privaten Pflegeheimkonzerns Kaiser sowie Hotelangestellte in Kalifornien die Arbeit niedergelegt. Als Gründe für die Zunahme der Kampfbereitschaft gelten die gute Situation am Arbeitsmarkt, die selbstbewusste Forderungen ermöglicht, aber auch die Notwendigkeit, jahrelange Verschlechterungen in der Vergangenheit rückgängig zu machen. Im Fall der UAW wurde der Kurswechsel durch eine Neuwahl der Führung eingeläutet: Erst im März dieses Jahres war Fain als Vertreter der bisherigen Opposition mit dem Versprechen einer kämpferischen Ausrichtung an die Spitze der Gewerkschaft gewählt worden; einer Gewerkschaft, deren Führung nach seinen eigenen Worten in den Jahrzehnten zuvor unwillig gewesen sei, dem Management entgegenzutreten und daher nichts als „Konzessionen, Korruption und Werksschließungen“ hervorgebracht habe.

Die Arbeiterinnen und Arbeiter der UAW erhalten in der US-amerikanischen Bevölkerung mit bis zu 75 Prozent in Umfragen sehr hohe Zustimmungswerte für ihren Streik. Damit wurde er auch ein Thema im beginnenden Vorwahlkampf für die US-Präsidentschaft. Ende September sprach Joseph Biden öffentlichkeitswirksam an einem Streikposten der Gewerkschaft. Dieses für einen US-Präsidenten einmalige Zeichen der Unterstützung steht im Gegensatz dazu, dass er selbst noch im Dezember vorigen Jahres einen landesweiten Streik der Eisenbahner unterbunden und einen Tarifvertrag gegen die Ablehnung der Gewerkschaftsmitglieder in einer Urabstimmung in Kraft gesetzt hatte. Auch Donald Trump reiste in die Autostadt Detroit und sprach dort auf einer Versammlung – ausgerechnet in einem nicht gewerkschaftlich organisierten Betrieb.

Unabhängig von diesen Versuchen der politischen Instrumentalisierung gelang es der UAW, erste Erfolge zu erzielen. Am 6. Oktober erklärte Fain, den Streik vorerst nicht weiter auszuweiten, da in den Verhandlungen mit den Konzernen wichtige Fortschritte erzielt worden seien. Unter anderem hatte sich GM bereit erklärt, die konzerneigene Batteriefabrik in den Bereich der gewerkschaftlichen Abdeckung aufzunehmen – bisher hatten die Tarifverträge mit der UAW dort keine Geltung. Trotz dieser Fortschritte dauern zu Redaktionsschluss dieser Ausgabe von UZ der Streik wie auch die Verhandlungen weiter an. Gewerkschafter und Sympathisanten erhoffen sich von einem guten Abschluss auch eine Signalwirkung für bisher nicht gewerkschaftlich organisierte Betriebe im Land wie jene des E-Auto-Produzenten Tesla.

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"Autobauer stehen auf", UZ vom 13. Oktober 2023



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