OECD fordert mehr Investitionen, die deutsche Wirtschaft schwächelt

Ausweg aus der Wachstumsklemme?

Von Philipp Kissel

Es will einfach nicht bergauf gehen mit der Weltwirtschaft. Sie befindet sich seit der Krise von 2008 in einer „Niedrig-Wachstums-Falle“, klagt die „Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD“ in ihrem neuesten Bericht. Das Problem bestehe in mangelnden privaten und öffentlichen Investitionen und dem Zusammenbruch des Wachstums des Welthandels. Die Staaten müssten ihre Haushaltspolitik umfassend und gemeinsam entwickeln.

Hintergrund sind zunehmende Ungleichgewichte. Die Organisation, die der Durchsetzung der Interessen der imperialistischen Staaten dient, lobt das vom frisch gewählten US-Präsidenten Donald Trump angekündigte Investitionsprogramm. Dadurch könne die Weltwirtschaft einen Anstoß von 0,1 Prozentpunkten 2017 und 0,3 im Jahr darauf bekommen. Bei einem prognostizierten Weltwirtschaftswachstum von nur 2,9 Prozent in diesem, 3,3 Prozent im nächsten und 3,6 Prozent im Jahr 2018 fällt das ins Gewicht. Anlass für das Programm ist der Rückgang der Industrieproduktion und der Produktivität. Die Investitionen der US-Unternehmen in Maschinen und Fahrzeuge gingen 2016 deutlich zurück. Sie sollen deshalb auch zuallererst profitieren. Die deutschen Exporte in die USA gehen bereits zurück und werden in diesem Jahr um bis zu sieben Prozent sinken.

Die OECD fordert mehr öffentliche Investitionen in Infrastruktur und Bildung in Europa, auch wenn dadurch die Staatsschulden steigen. So könnte langfristig die Arbeitslosigkeit gesenkt und der dürftige Produktivitätszuwachs von nur 0,5 Prozent pro Jahr seit Ausbruch der Krise gesteigert werden. Das dürfe aber nicht mit protektionistischen Maßnahmen verbunden sein, die seit 2008 stark zugenommen hätten, findet die OECD. Sie seien eine Gefahr für ein Viertel der Arbeitsplätze in den meisten OECD-Ländern. Weitere Strukturreformen (Rentenalter erhöhen, etc.) müssten auf den Weg gebracht werden, um die Produktivität zu steigern. Die Arbeitslosigkeit ist im Euroraum weiterhin sehr hoch, in Italien liegt sie bei 11 Prozent, bei den unter 25-Jährigen sogar bei 37 Prozent.

Die Bundesregierung lehnt eine höhere Staatsverschuldung im Euroraum bisher ab, da dies die Stabilität des Euro gefährden würde. Aus den neuesten Zahlen des statistischen Bundesamts geht hervor, dass das deutsche Wirtschaftswachstum an Schwung verliert und im dritten Quartal nur noch um 0,2 Prozent gegenüber dem Vorquartal gewachsen ist. Insbesondere der Export schwächelt, das Wachstum hängt von der heimischen Nachfrage und besonders vom Staatskonsum ab. Der hat seit 2015 um 4,5 Prozent zugelegt, der private Konsum um 1,5 Prozent. Bei Investitionen in Maschinen und Fuhrpark ist dagegen ein anhaltender Rückgang zu verzeichnen. Der Staat liefert bereits seit einem Jahr den größten Anteil zum Wirtschaftswachstum. Die Exporte haben dagegen seit einem Jahr nicht mehr dazu beigetragen. Da rund ein Drittel des deutschen Bruttoinlandsprodukts durch die Produktion von Exportgütern entsteht, wirkt sich das schnell aus.

Die zweitgrößte Branche des verarbeitenden Gewerbes, der Maschinenbau, verzeichnet seit 2014 Null-Wachstum und befürchtet Einbrüche, falls der wichtigste Absatzmarkt USA sich verengen sollte. Der Anteil der Exporte am Umsatz der deutschen Metall- und Elektroindustrie ist laut Institut der deutschen Wirtschaft auf über 62 Prozent gestiegen und damit wesentlich höher als im Durchschnitt (38 Prozent) der fünf führenden Metall- und Elektro-Nationen. Der deutsche Binnenmarkt kann die Produktion nicht aufnehmen, der europäische Markt reicht wegen hoher Arbeitslosigkeit, vieler fauler Kredite und geringer Investitionen nicht aus und in China und den USA wird es eng. Die Frage steht im Raum, wer all die Waren, die von zusätzlichen Maschinen und Menschen produziert werden würden, kaufen soll. Die Überkapazitäten aller Länder werden auch durch Konjunkturprogramme kaum abgebaut, die Konkurrenz verschärft sich. Der „Appell“ der OECD, dass „gemeinsame Aktionen größere Erträge bei geringeren politischen Kosten ermöglichen“, dürfte an den realen Widersprüchen scheitern.

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"Ausweg aus der Wachstumsklemme?", UZ vom 2. Dezember 2016



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