Ausgrenzung russischer Vertreter ist ein Affront

Dieses Land wurde 1945 durch die militärischen Kräfte der Antihitlerkoalition vom Faschismus befreit. Zu diesen Kräften gehörte die sowjetische Armee – die Rote Armee. Sie hatte einen entscheidenden Anteil an der Befreiung und trug zugleich die größte Last des Zweiten Weltkrieges. Von den 55 Millionen Opfern des Zweiten Weltkrieges beklagten die sowjetischen Völker allein 27 Millionen – die Hälfte der Kriegsopfer in Europa. Die Rote Armee hat eine enorme Befreiungsleistung vollbracht gegen starke Widerstände der SS und von Kollaborateuren. Die Völker der Sowjetunion, und zwar alle Völker der Sowjetunion, die heute in ihren jeweiligen Nachfolgestaaten sind, haben das volle Recht, die volle Legitimität, an diese Befreiungsleistung und die damit verbundenen Opfer zu erinnern.

Angesichts des Krieges in der Ukraine wird heute gefragt, ob es zulässig ist, dass russische Vertreter sich an den Befreiungsfeiern beteiligen. Gedenkstätten haben offiziell beschlossen, Vertreter der Russischen Föderation und von Belarus von den Gedenkveranstaltungen auszuschließen. Diese Ausladungen sind ein Affront, der mehr ist als nur eine diplomatische Ausgrenzung.

Manch einer nennt die moralische Begründung, man wolle mit der Ausgrenzung russischer Vertreter ein Zeichen gegen den Krieg setzen. Ja, ich bin für alle sichtbaren Zeichen gegen Krieg in Europa! Aber geht es wirklich darum? Die Zeichen, die gesetzt werden, sind doch ganz anderer Natur. In Berlin hat die CDU den Antrag gestellt, das Sowjetische Ehrenmal in Berlin-Tiergarten zu demontieren. Die dort gezeigten Panzer seien in Zeiten der russischen Aggression gegen die Ukraine nicht mehr zeitgemäß. Als seien es Panzer der russischen Armee. Es sind sowjetische Panzer, die Berlin erreicht haben. Sie dokumentieren die Befreiung von Berlin vom Faschismus. Mit dieser Demontage will man nicht gegen Krieg protestieren, sondern Geschichte entsorgen. Samt der Verbrechen der Wehrmacht, die in der Ukraine begangen wurden. Babyn Jar ist eines der berühmtesten Beispiele dafür. Das muss verhindert werden. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Verbrechen, die der deutsche Faschismus im Rahmen seines antibolschewistischen Vernichtungskrieges und in den Vernichtungslagern begangen hat, entsorgt werden.

Die Auschwitz-Überlebende Esther Bejarano hat vor zwei Jahren eine Petition auf den Weg gebracht, damit der 8. Mai zum Feiertag wird. Diese Petition, die man auch heute noch unterzeichnen kann, soll zum Nachdenken anregen darüber, was der 8. Mai für uns, unser Land, für die Bevölkerung in unserem Land und für das Miteinander aller Völker gebracht hat. Der 8. Mai trägt uns auf, konsequent gegen Faschismus zu kämpfen und ebenso klar für eine Friedensordnung einzutreten, die für alle Völker in Europa eine angemessene Sicherheit beinhaltet. Diese Botschaft ist aktueller denn je.

Unser Autor ist Generalsekretär der ­Internationalen Föderation der Widerstandskämpfer (FIR)

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"Ausgrenzung russischer Vertreter ist ein Affront", UZ vom 6. Mai 2022



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