Die dritte Coronawelle führt in den Krankenhäusern dazu, dass die Beschäftigten ohne Verschnaufpause und in vielen Fällen weit über ihre körperliche und psychische Belastungsgrenze hinaus arbeiten müssen. Und mitten in dieser dritten Welle verkündet der Vorstand des Sana-Konzerns, dass die Kolleginnen und Kollegen aus den Bereichen Hol- und Bringdienst, Patientenbegleitdienst, Information und Pforte, Wäscheservice, Archiv und Stationshilfsdienste zum Ende des Jahres gefeuert werden sollen.
Die Eigentümer des Sana-Konzerns sind fast 30 private Krankenkassen, die im Wesentlichen zu großen Versicherungskonzernen wie zum Beispiel der Allianz gehören. Dazu war in der vergangenen Woche zu lesen, dass der Allianz-Vorstand eine „angemessene“ Gehaltserhöhung von 12 Prozent erhalten soll: Statt 6,5 Millionen Euro sollen es nun 7,37 Millionen Euro sein – schließlich werde bei der Allianz ja etwas unterdurchschnittlich bezahlt.
Die Ankündigung von Kündigungen in den Sana-Kliniken und bei der Tochter DSG erfolgte Mitte April und traf Beschäftigte und Betriebsräte völlig unerwartet. Nach erstem ungläubigem Erschrecken formierte sich eine große Solidarität mit den betroffenen Kolleginnen und Kollegen. Sofort wurde eine breite Öffentlichkeit hergestellt. Der Betriebsratsvorsitzende der Sana-Klinik Offenbach, Holger Renke, legte bei der Kundgebung am 1. Mai, bei der er Hauptredner war, sein Redemanuskript zur Seite, berichtete von den Schweinereien im Sana-Konzern und rief zur Solidarität auf.
Die Klinik in Offenbach ist die größte Klinik des Konzerns. Allein hier sind fast 100 Beschäftigte von der Kündigung bedroht – nach Aussagen des Konzerns sind es 66. Viele dieser Kolleginnen und Kollegen sind seit Jahrzehnten in der Klinik beschäftigt und erst im vergangenen letzten Jahr in die Tochtergesellschaft DGS abgeschoben worden. Jetzt wird ihnen die Existenz unterm Hintern weggezogen.
DGS-Geschäftsführer Klaus Wiendl begründet die Entlassungen mit der Notwendigkeit einer deutlich höheren fachliche Führung sowie einer Prozessbegleitung und -überwachung. Deutlicher als mit so einem nichtssagenden Kauderwelsch kann man seine eigene Unfähigkeit nicht ausdrücken – nicht nur die Beschäftigten fragen sich, wieso Wiendl noch im Amt ist. Die wahren Gründe für das Vorgehen des Konzerns liegen in der Finanzierung unseres Gesundheitssystems. Es geht nicht um gute Gesundheitsversorgung, sondern um Gewinnmaximierung. Dieser Fehler im System wurde durch die Einführung der Fallpauschalen (DRGs) noch verschärft.
Seit Jahren werden Tarifflucht und die Ausgliederung in Tochterunternehmen praktiziert – nicht nur in privatisierten Häusern. Auch die Bundesländer mit ihren Unikliniken sowie Kommunen und Landkreise als Eigentümerinnen der Krankenhäuser nutzen diese Möglichkeiten der Kostenreduzierung.
Wie perfide das Finanzierungssystem im Gesundheitswesen ist, wird noch deutlicher, wenn betrachtet wird, warum diese Beschleunigung der jetzigen Ausgründungen und Entlassungen geschieht. Die gefeierte Einführung der garantierten Übernahmen der Personalkosten im Pflegebereich durch Gesundheitsminister Jens Spahn lässt Vorstände in die Hände klatschen. Für alle anderen Bereiche und Berufsgruppen gilt dies aber nicht. Also wird entlassen und geschlossen – die entsprechenden Tätigkeiten sollen überwiegend wieder an die Pflege übertragen werden. Dass diese Stellen jetzt schon nicht besetzt werden können, interessiert dabei nicht. Weitere Arbeitsverdichtung und Überlastung werden die Folgen sein.
Im Sana-Konzern haben die Sozialplanverhandlungen begonnen. Die breite Solidarität in der Belegschaft zeigt den Kolleginnen und Kollegen, dass sie geschätzt und gebraucht werden. Der „Tag der Pflege“ am 12. Mai wurde als Tag des Protestes gegen die Entlassungen vorbereitet. Das Motto, unter dem sich die Belegschaft gerade in Offenbach zusammenschließt, lautet: „Einer für alle, alle für einen! Ein Betrieb, eine Belegschaft, ein Tarif!“
Von dieser Solidarität ist gerade in Offenbach viel zu spüren. Ob sie ausreicht, um die Kündigungen zu verhindern, ist fraglich. Aber Solidarität und Widerstand wachsen sowie das Bewusstsein, dass dieses Gesundheitssystem krank ist. Das macht Mut.