„Der Sieg unserer syrischen Brüder ist auch unser Sieg als Nachbarn“, erklärte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan in einer Rede Anfang Januar. Und ja: Der Sturz Baschar al-Assads war buchstäblich ein Sieg der Türkei und ihrer Unterstützung der Dschihadisten. Jetzt will sie den Lohn ihrer Anstrengungen erhalten.
Zerstörte Infrastruktur, zerstörte Städte bleiben auch nach Assad die größten Hindernisse, die einer Rückkehr von Einwohnern entgegenstehen. Selbst die Aussicht, dass die Sanktionen des Westens jetzt reduziert werden, schafft kurzfristig wenig Abhilfe. Deshalb denken zwar viele Syrer über ihre Rückkehr nach, tatsächlich zurückgekehrt sind aber bisher nur wenige. Auch Qadri Dschamil, der frühere Oppositionspolitiker und Minister und Hoffnungsträger Moskaus, denkt vorerst nur über die Rückkehr nach.
Für die Christen sind schwierige Zeiten angebrochen. Schon lange vor Beginn des Krieges waren sie von Dschihadisten bedrängt und zum Teil vertrieben worden. Jetzt berichten Frauen in Stadt und Land vom Zwang, sich „verhüllen“ zu müssen, Überlandbusse wurden angehalten, bis die Passagiere nach Geschlecht getrennt waren. Zu einer geplanten Konferenz zum „Nationalen Dialog“ waren Vertreter der Christen nicht eingeladen worden. Die Konferenz wurde jetzt auf Februar verschoben.
Eine Zerreißprobe für Syrien bleibt das Verhältnis zwischen Kurden, der Türkei und den Dschihadisten in Damaskus.
Der neue Verteidigungsminister Murhaf Abu Kasra bot den Demokratischen Kräften Syriens (SDF) Gespräche an, droht aber auch mit der Bereitschaft, Gewalt anzuwenden. Die SDF ihrerseits wollen sich nicht entwaffnen oder auflösen lassen, sind aber bereit zur Einbindung in eine neu zu bildende Armee.
Die von der Türkei gebildete „Syrische Nationalarmee“ griff die SDF an und vertrieb Kurden über den Euphrat. Zuletzt tötete sie Zivilisten, die ein Ende der Kämpfe am Tischrin-Damm forderten. Die Türkei will mit weiteren Militärstützpunkten ihren Sieg in konkreten Einfluss und Kontrolle ummünzen, hat aber mächtige Konkurrenten. Saudi-Arabien macht sich stark für ein Ende der EU-Sanktionen, die erste Auslandsreise wird den neuen selbsternannten Präsidenten al-Scharaa nach Riad führen. Scheich Tamim, der Emir von Katar, war bereits zu einem offiziellen Besuch in Damaskus. Katar plant massive finanzielle Unterstützung für den öffentlichen Dienst in Syrien. Und die USA stützen ihren Einfluss noch auf ihre Präsenz in den Gebieten unter Kontrolle der kurdischen SDF.
Die Entscheidung der neuen Machthaber, die Armee und alle staatlichen Institutionen aufzulösen, ruft die gleichlautende Entscheidung des damaligen US-Gouverneurs für den Irak in Erinnerung. Paul Bremer ordnete seinerzeit Gleiches für den Irak an – in der Folge zerfiel das Land für Jahre im Chaos.
Angriffe auf religiöse und ethnische Minderheiten sind keine allgemeine Politik, aber auch keine Einzelfälle. Zuletzt überfielen Bewaffnete einen Ort in der Provinz Hama und entführten und töteten 15 Personen in der Nähe des Flusses Orontes. In Idlib kam es zu Schießereien zwischen verfeindeten Gruppen von Dschihadisten. Es gibt Verhaftungen, Folterungen, Tötungen in Gefängnissen. Die Realität ist düsterer als das Bild des gesuchten Terroristen, der nun in einen Geschäftsanzug gewandet ist, uns glauben machen soll.
Doch in Latakia, der Provinz, die von Alawiten geprägt ist und schon immer weltoffen war, fand eine erstaunliche Ausstellung statt. 16 Künstler aus allen syrischen Provinzen zeigten ihren Blick auf das zukünftige Syrien.
Noch bleibt es offen, in welche Richtung sich Syrien bewegen wird.
Erklärung der DKP zum Verbot der Kommunistischen Parteien in Syrien