CSU- und CDU-Politiker wollen Themen der AfD besetzen …

Auseinandersetzen? Entzaubern?

Von nh

Zu Ostern wurde es noch einmal bitter: Die Partei „Die Linke“ verlor in Sachsen-Anhalt noch ein Landtagsmandat an die AfD. Einige hundert Stimmen waren bei der Auszählung am Abend des 13. März falsch zugeordnet worden – und gingen an jenem Sonntag offenbar an die Lucke-Partei Alfa. Das Ergebnis der AfD wurde nun leicht nach oben korrgiert. Und dabei traf es ausgerechnet die Linkspartei.

Dort wird nach wie vor fieberhaft nach den Ursachen der Wahlniederlage gesucht – und das wird sicher auch Thema auf dem Bundesparteitag Ende Mai in Magdeburg sein. Die Vorsitzenden der Partei, Katja Kipping und Bernd Riexinger, sowie die Vorsitzenden der Fraktion im Deutschen Bundestag, Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch, schätzten in einer gemeinsamen Erklärung vier Tage nach den Landtagswahlen ein, der „Aufstieg der AfD in Deutschland und die Zunahme von Rassismus und Demokratieverachtung in ganz Europa“ seien Ergebnis der Unsicherheit, Hoffnungslosigkeit und Wut, welche die Umverteilung des Reichtums von Unten nach Oben überall hinterlassen hat (vgl http://www.die-linke.de/, Presseerklärungen). Und: „Der Mangel an bezahlbaren Wohnungen und guten Jobs, die Reduktion der Demokratie auf die Verwaltung von Sachzwängen sind der Nährboden, auf dem der rechte Kulturkampf gedeiht. Die schrittweise Übernahme rechter Positionen wie die von der Großen Koalition beschlossenen jüngsten Einschränkungen des Asylrechts stärken nur die Rechten und tragen zur Aushöhlung des Grundgesetzes und der Demokratie bei.“

So richtig das ist, es beantwortet nicht die Frage, warum die Partei „Die Linke“, die sich als Partei für die „Erwerbslosen und Beschäftigten, denjenigen, die sich schlecht bezahlt von Job zu Job hangeln müssen und die von Altersarmut bedroht sind“ sieht, in Sachsen-Anhalt so viele Stimmen verloren hat. Vor allem wäre eine kritische Analyse der eigenen Politik im Land nötig: Warum sah dort ein Teil ihrer bisherigen Wählerinnen und Wähler in der Linkspartei offenbar nicht oder nicht mehr Interessenvertreterin der „kleinen Leute“ sondern nimmt sie offenbar als Teil des etablierten Parteiensystems wahr? Ein Grund ist wohl, dass man, wie Bernd Riexinger meint, zu viel zu den Menschen rede statt mit ihnen. Er forderte eine stärkere Ausrichtung als „Kümmererpartei 2.0“ …

Doch auch CDU, SPD und Grüne haben an die AfD bei allen vergangenen Landtagswahlen Stimmen verloren. Jetzt geht die Debatte darum, wie mit der AfD umzugehen sei: Sich offensiv – wie die Partei „Die Linke“ – mit ihrer rechten, rassistischen Ideologie und Politik auseinandersetzen? Sie ignorieren und darauf setzen, dass sie sich in den Parlamenten „entzaubert“? Ihr die Themen nehmen? Oder ihr gar die Hand reichen und sie sogar in Regierungsverantwortung einbinden?

Die Grünen wollen sich „differenziert“ auseinandersetzen. Die AfD sei jetzt erst recht gefährlich, meinen der Fraktionschef der Bundestagsfraktion, Anton Hofreiter, und das Bundesvorstandsmitglied Gesine Agena. Zusammen mit Pegida befeuere die AfD „eine radikale Stimmung, in der Brandstiftung, Morddrohungen und Gewalt gegen Menschen zur Tagesordnung gehören“.

Von der SPD-Spitze hört man nicht viel. Die AfD ist für die wohl eher eine „Schlechte-Laune-Partei“ (SPD-Vize Olaf Scholz). Für ihn verfügt die AfD über keinerlei Kompetenz. Gabriel will folgerichtig die „demokratische Mitte“ stärken – was immer das sein mag. Dagegen setzen wenigstens Hannelore Kraft und Malu Dreyer auf Auseinandersetzung.

Während Kanzlerin Merkel sich weiter klar von der AfD abgrenzen will, wollen andere in den Unionsparteien vor allem deren Themen besetzen und drängen noch weiter nach rechts. So erklärte CSU-Chef Horst Seehofer in der „Bild am Sonntag“: „Wir werden die AfD nur dann wieder aus den Parlamenten herausbekommen, wenn wir Antworten geben auf das, was die Bevölkerung bewegt.“ CDU-Vize Volker Bouffier will die Sorgen und Ängste der Menschen aufgreifen, „auch wenn sie diffus und unsortiert sind“. Zuletzt an die AfD verlorene Wähler müssten zurückgewonnen werden: „Das gelingt nicht, indem wir sie alle beschimpfen.“ Stattdessen müsse sich die Union bemühen, die AfD in den Parlamenten „in Themen zu stellen“. Er betonte in der „B. Z.“: „Wir wollen keine Märtyrer schaffen, wir wollen sie in der Sache entzaubern.“

CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn warf seiner eigenen Partei im „Spiegel“ vor, „Themen wie nationale Identität und die Sorge vor dem politischen Islam“ vernachlässigt zu haben. CDU-Generalsekretär Peter Tauber meint, die CDU dürfe sich nicht nach anderen ausrichten, das C „in unserem Parteinamen setzt eine natürliche Grenze nach rechts“ („Spiegel“).

Doch manch einer denkt dabei wohl auch an künftig mögliche Koalitionen, auch wenn Peter Tauber das aktuell ablehnt. In der CDU gab es schon vor zwei Jahren erste Stimmen, die eine Koalition mit der AfD nicht ausschließen wollten. Allerdings war das die AfD, der Bernd Lucke vorstand und zu der auch der frühere BDI-Chef Olaf Henkel gehörte …

„Mal abwarten, wie das nach den nächsten Wahlen aussieht“, schrieb Jakob Augstein, seit 2008 Verleger der Wochenzeitung „Freitag“, am 21. März auf „Spiegel-Online“. Denn „an den Besitzverhältnissen will die AfD nichts Grundlegendes ändern. Und das Erschrecken, dass so viele Menschen eine rassistische Partei gewählt haben, ist offenbar nicht so groß.“

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"Auseinandersetzen? Entzaubern?", UZ vom 1. April 2016



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