Seit dem von Faschisten und Nationalisten getragenen Putsch in Kiew 2014 bieten die Regierenden der Ukraine ihr Land der NATO als Aufmarschgebiet gegen Russland an. Sie begleiten das mit chauvinistischen Kampagnen wie im April, als die Ukraine wegen russischer Manöver militärisches Eingreifen der NATO verlangte. Der seit 2019 amtierende Präsident Wladimir Selenskij ließ sich in Uniform in Schützengräben ablichten. Der ukrainische Botschafter in der Bundesrepublik, Andrij Melnyk, brachte im „Deutschlandfunk“ Atomwaffen ins Spiel: „Entweder sind wir Teil eines Bündnisses wie der NATO und tragen auch dazu bei, dass dieses Europa stärker wird, (…) oder wir haben eine einzige Option, dann selbst aufzurüsten“. Kiew werde dann „vielleicht auch über einen nuklearen Status“ nachdenken. Der Kiewer Schwanz versucht immer öfter, mit dem NATO-Hund zu wackeln – das heißt, er legt es auf äußerst gefährliche Situationen an.
Der angeblich kurz bevorstehende Angriff Russlands fand im Frühjahr wieder einmal nicht statt und Kiew konzentrierte sich auf seinen russophoben Alltag: Selenskij verbot russischsprachige Medien und ließ ein Gesetz über die „Sicherung des Charakters des Ukrainischen als Staatssprache“ in Kraft treten. Es zwingt Einzelhandel und die Medien dazu, ukrainisch zu sprechen. Dem Russischen wurde – anders als etwa dem Ungarischen oder Krimtatarischen – der Status einer nationalen Minderheitssprache entzogen. Das entspricht einer vom verstorbenen US-Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski in den 1990er-Jahren entworfenen Strategie, wonach die engen sprachlichen, kulturellen und religiösen Bindungen der Ukraine an Russland zerschlagen werden müssen, um dessen Wiederaufstieg zu verhindern.
Praktisch vergeht gegenwärtig kein Tag ohne eine staatliche antirussische Aktion Kiews. So berichtete zum Beispiel die russische Nachrichtenagentur „Tass“ am 6. September, dass ein in der ukrainischen Hauptstadt 2001 aufgestelltes Denk„zeichen“ für Freundschaft mit Moskau vom Kiewer Kommunalbetrieb auf Beschluss des Stadtrates demontiert wurde. „Tass“ zitierte eine Stadtratsabgeordnete, die auf Facebook schrieb, das Denkmal werde zukünftig im „Museum des Totalitarismus“ ausgestellt.
Das vom Westen gesteuerte Programm kultureller Trennung von Russland trägt also Früchte, anders steht es um den Wunsch nach der formalen NATO-Mitgliedschaft. Nun sollte der USA-Besuch Selenskijs, der am 1. September mit einem Empfang im Weißen Haus seinen politischen Höhepunkt erreichte, den Durchbruch bringen. Selenskij erweckte vorab den Eindruck, der NATO-Beitritt komme näher – auch als Kompensation für das Absegnen der Gaspipeline Nord Stream 2 durch Washington. Das Ergebnis war in dieser Hinsicht ernüchternd, allerdings wird die Rolle der Ukraine als militärischer Vorposten des Westens gegen Russland weiter gestärkt. Eine Zusage oder ein Datum für den NATO-Beitritt erhielt Selenskij nicht, aber weitere US-Militärhilfe in Höhe von 60 Millionen US-Dollar (etwa 51 Millionen Euro), darunter mobile Abschussvorrichtungen für panzerbrechende Raketen des Typs „Javelin“, von denen die Ukraine seit 2018 bereits mindestens 360 Stück erhielt. Die Geldsumme scheint bescheiden, zu berücksichtigen ist aber, dass der Wert der US-Waffenlieferungen an Kiew allein in diesem Jahr bereits 250 Millionen US-Dollar beträgt. Seit 2014 haben die USA nach eigenen Angaben insgesamt 2,4 Milliarden Dollar in das ukrainische Militär gesteckt.
Die russische Tageszeitung „Kommersant“ fasste das Ergebnis des Treffens Selenskij–Biden so zusammen: „Die USA nehmen die Ukraine nicht in die NATO auf, aber lassen das Land auch nicht allein mit Moskau.“ Der Sprecher des russischen Präsidenten nannte das Treffen „äußerst feindselig“ und „antirussisch“.
Die „Neue Zürcher Zeitung“ resümierte: „Statt eines Fahrplans für konkrete Fortschritte auf dem Weg in das Verteidigungsbündnis erhielt Selenskij gut gemeinte Ermunterungen für einen entschlosseneren Reformkurs.“ Mit Letzterem ist der Kampf gegen Korruption gemeint. Die ukrainischen Oligarchen, die in regionalen „Clans“ und nicht wie in Russland nach Branchen organisiert sind, lenken die Finanzströme aus dem Ausland in die eigenen Taschen. Allein die EU hat nach eigenen Angaben seit 2014 3,8 Milliarden Euro im Rahmen eines Makrofinanzierungsprogramms an Kiew ausgezahlt. Dennoch setzt Kiew militärisch wie wirtschaftlich auf die USA, etwa beim Ausbau seiner Atomkraftwerke. Während Selenskijs Reise wurde ein entsprechendes Abkommen abgeschlossen, dessen Kosten sich auf bis zu 25 Milliarden Euro belaufen.