Pflegt euch ins Knie!“ steht auf einem Transparent der streikenden Pflegekräfte an der Uniklinik in Münster. Wem das unangemessen scheint oder zu derb klingt, der sollte besser keinen Fuß in ein Streikzelt setzen. Dort sind die Worte noch deutlicher. Trotz Corona und hochsensiblem Umgang mit der Pandemie beim Bestreiken von Kliniken haben die dort Beschäftigten den vielzitierten Kaffee auf.
In der vergangenen Woche beteiligten sich weit über zehntausend Beschäftigten im öffentlichen Dienst an den Streiks. Vor der dritten Verhandlungsrunde, die am 27. und 28. November stattfindet, weitet ver.di den Arbeitskampf an Universitäten, Landesbehörden, bei den Bezirksregierungen und allen voran an den Unikliniken noch einmal deutlich aus. 5 Prozent Lohnsteigerung, mindestens aber 150 Euro mehr ist die Forderung aller Beschäftigten, im Klinikbereich geht es um 300 Euro mehr. Das sind wahrlich keine überzogenen Forderungen. Angesichts von Teuerungsraten sowie Arbeitsbelastung und –verantwortung ist es eigentlich viel zu wenig, hört man immer wieder im Streik. Aber für diese Forderungen sind die Kolleginnen und Kollegen auf der Straße und erwarten, dass sie durchgesetzt werden.
Für ver.di wird die 3. Verhandlungsrunde eine Herausforderung. Die Unterschiede in der Kampfbereitschaft der betroffenen Belegschaften sind riesig: In den Landesbehörden und Universitäten gibt es kaum Streikbereitschaft, zu schlecht ist der gewerkschaftliche Organisationsgrad, zu zersplittert die Arbeitssituation. Viele Beschäftigte sind im Home-Office und das ist nicht hilfreich, wenn es darum geht, einen Arbeitskampf zu organisieren. Ganz anders in den Universitätskliniken, wo die Beschäftigten deutlich merken, dass es in dieser Tarifrunde nicht nur um 300 Euro geht. Seit Einführung der Fallpauschalen (DRGs) vor über 15 Jahren wurden die Arbeitsbedingungen immer schlechter. Heute sind sie katastrophal. Seit Jahren wird von den „Arbeitgebern“ und Spahn und Konsorten erzählt, dass man verstanden habe und jetzt etwas ändern werde. Veränderungen sind tatsächlich eingetreten: immer mehr Fachkräfte verlassen die Kliniken. Pflegekräfte, Hebammen und anderes medizinisches Personal gehen, weil sie nicht mehr mit ansehen können und wollen, wie schlecht die Versorgung geworden ist.
Die Beschäftigten, die jetzt im Arbeitskampf stehen, streiken, weil sie eine Wahrnehmung eint: Es war auch vor Corona schon scheiße und die Verantwortlichen in der Politik haben bewusst zugelassen, dass es noch schlimmer wird. In den Unikliniken wird für ein anderes Gesundheitssystem gestreikt, mit guten Arbeitsbedingungen und menschenwürdiger Versorgung, ohne Profite und Marktlogik. Eine streikende Pflegekraft aus der Uniklinik Bonn brachte das so auf den Punkt: „Ich liebe das Arbeiten in der Notaufnahme, ich liebe die Patienten, ich liebe es, ihnen zu helfen. Ich habe das Gefühl, man macht das kaputt, was ich liebe, so dass ich einfach nicht mehr kann. Ich will, dass sich das ändert!“
Die Verhandlungsführer der Länder, aber auch die der Gewerkschaft sind gut beraten, diese Stimmung und den Zorn wahrzunehmen, der darin mitschwingt. Die Beschäftigten wollen weiterkämpfen – für ihre aktuelle Lohnforderung, aber danach auch für Entlastung und ein besseres Gesundheitssystem. Das sind gute Ausgangsbedingungen, um die Ampelregierung dazu zu zwingen, eine andere Gesundheitspolitik zu machen. Vor allem aber dafür, dass sich noch mehr Beschäftigte diesen sehr grundsätzlichen Kämpfen anschließen.