Gaspreise explodieren weiter, Bundesregierung will kapitalfreundliche Lösungen

Aus Umlage wird Deckel

Die Umlage ist tot, es lebe der Deckel. Am 22. Juli hatte die Bundesregierung ihr Programm zur Rettung von „Unternehmen, die wegen der hohen Energiepreise in Schwierigkeiten geraten sind“, genannt Gasumlage, aus der Taufe gehoben. In einer Zeit, in der im Vergleich zum Vorjahr die Strom- und Gaspreise um ein vielfaches gestiegen sind, sollte der Energiemonopolist Uniper durch das Geld der Verbraucher saniert werden. Uniper musste wegen der Wirtschaftssanktionen sein Gas teuer auf dem Weltmarkt einkaufen und klagte über Verluste.

Die „Umlage“ sollte mit dem Zwang einer neuen Steuer eingeführt werden. Drei Wochen später legte die Ampel dann Zahlen auf den Tisch: Zusätzlich zu der ohnehin schon exorbitanten Steigerung des Verbrauchergaspreises sollten alle, die auf Gas als Heizenergie angewiesen sind, 2,4 Cent pro Kilowattstunde draufzahlen. Ein Vier-Personenhaushalt mit einem durchschnittlichen Gasverbrauch hätte damit zusätzlich 4.800 Euro pro Jahr an den Energiemonopolisten zahlen müssen. Als dann andere Energiekonzerne begannen, ihre Anträge beim Wirtschaftsministerium einzureichen – wie der österreichische Multi OMV, der im Juni einen Quartalsgewinn von 2,94 Milliarden Euro eingestrichen hatte –, war die Idee des Energiemonopol-Soli gestorben. Neue Lösung: Der Staat kaufte Uniper für 1,28 Milliarden Euro aus Steuermitteln. Auch viel Geld, nur zahlt das der Verbraucher nicht gleich, sondern über die Steuern des nächsten Jahres.

Ende September schließlich war klar, dass die Frackinggas-Shoppingtour des Kanzlers nach Saudi-Arabien und Katar zwar zu neuen Abschlüssen bei der Rüstungsindustrie geführt hatte, aber ansonsten nur die Lieferzusage Saudi-Arabiens über 137.000 Kubikmeter halbwegs sicher ist – eine lächerliche Menge, die den Gasverbrauch in Deutschland nur für sieben Stunden deckt. Schon im August stieg die Anzahl der Insolvenzen im Vergleich zum Vormonat um 6,6 Prozent. Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) warnte am 12. September, dass von 3,5 Millionen Unternehmen in Deutschland rund 1,4 Millionen von der Pleite bedroht seien.

Die Zeit drängt, die Heizperiode hat begonnen. Mit dem „Doppel-Wumms“ eines Gaspreisdeckels soll jetzt der „Energiekrieg“ (Finanzminister Christian Lindner, FDP) gewonnen werden. Von „bis zu 200 Milliarden Euro“ ist die Rede, mit deren Hilfe die „Gaspreise gesenkt“ werden sollen. Wie das konkret geschehen soll, bleibt im Dunkeln – ein „Expert:Innenrat“ wird irgendwann im Oktober hierzu einen „Vorschlag“ machen. Zwei Wege – hört man – soll es geben: Eine Deckelung auf Grundlage der Personenzahl eines Haushalts würde bedeuten, dass das erste Haushaltsmitglied ein Kontingent subventioniertes Gas von zum Beispiel 5.000 Kilowattstunden bekommt und jede weitere Person im Haushalt 2.000 Kilowattstunden. Oder es gibt einen von der Anzahl der Personen unabhängigen Deckel, dann zahlt jeder Haushalt für 80 Prozent seines Gasverbrauchs nur den subventionierten Preis. Oberhalb des „verbilligten“ Kontingents zahlt jeder den gerade am Markt geltenden Preis. Gas wird in beiden Fällen rationiert.

Bereits einen Tag nach Verkündung des Doppel-Wumms war mehr zu erfahren: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte der „Zeit“, der Gaspreis könne „natürlich“ nicht auf die Werte von 2021 „runtersubventioniert“ werden. Finanzminister Lindner verlautete, der Deckel könne nur „bizarre Preisspitzen abfedern“. „vergleichsportal.de“ hat bereits gerechnet: Würde der Gaspreis bei nur 10 Cent pro Kilowattstunde gedeckelt – ein illusorisch tiefer Wert, der bei einem Drittel des aktuellen Preises liegt –, kommen auf einen vierköpfigen Haushalt beim Basisverbrauch von 80 Prozent stolze 2.388 Euro mehr im Jahr zu, ohne Bremse 3.940 Euro. Zahlen können die Verbraucher beides nicht.

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"Aus Umlage wird Deckel", UZ vom 7. Oktober 2022



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