Aus der Schwäche lernen. Aber aus wessen Schwäche?

Von Rudolph Bauer, Bremen

Die DKP hat ein selbst für ihre Verhältnisse schlechtes Wahlergebnis bei den EU-Wahlen erzielt. In der Partei wird über die Ursachen diskutiert. Die UZ hatte deshalb in der Ausgabe vom 19. Juli Beiträge zur Auswertung des Wahlkampfs veröffentlicht und dazu aufgerufen, weitere Debattenbeiträge zu den Erfahrungen, Kritik und Einschätzungen zum EU-Wahlkampf der DKP einzusenden. In dieser Ausgabe veröffentlichen wir eine erste Auswahl dieser Debattenbeiträge, weitere werden wir in der UZ-Ausgabe am 23. August veröffentlichen.

Das Abschneiden der DKP bei der Wahl zum Europäischen Parlament im Mai 2019 ist nicht verwunderlich. Die Gründe sind vielfältig.

Einer der Gründe ist das Erscheinungsbild der DKP als Wahlpartei. Weitere Gründe sind unter anderem der Parlamentarismus in seiner heutigen Form, das undemokratische Wahlsystem, die Bedeutungslosigkeit des Europäischen Parlaments, die Isolation der Abgeordneten von den Massen, die sozialpolitische Nicht-Zuständigkeit der EU-Ebene.

Die DKP präsentierte sich im Mai 2019 als Wahlpartei, nicht als klassenkämpferische Organisation mit einem kommunistischen Profil. Sie ist nicht als ein solidarischer Zusammenschluss von europäischen Genossinnen und Genossen mit dem Ziel einer politisch-ökonomischen Veränderung der Gesellschaft aufgetreten. Sie war nicht erkennbar als Verkörperung der europäischen Einheit der Werktätigen, als Manifestation internationaler Solidarität und im leidenschaftlichen Ringen um eine sozialistische Zukunft in den Ländern Europas.

Im Zeitalter der Digitalisierung lähmt der herkömmliche Parlamentarismus den spontanen Volkswillen (der völkischen Reaktion indessen bietet er ein Forum). Er generiert Jobs für PolitikerInnen, die vor allen sonstigen Interessen die ihrer Partei und das eigene persönliche Fortkommen bedienen. Es gelten Macht, Konsum, Intrigen und Karriere, statt dem Volke zu dienen (ich meine nicht: den völkischen Anhängern des Imperialismus).

Das Wahlsystem ist darauf angelegt, den Wahlberechtigten das Gefühl (nicht die Überzeugung!) zu vermitteln, dass ihre Stimme entscheidend sei. Ausschlaggebend sind jedoch die Hinterzimmermethoden bei der parteiinternen Kandidatenaufstellung, die Gehirnwäsche durch Marketing-Feldzüge in den letzten Wochen vor der Wahl, nach der Wahl das undurchsichtige Koalitionsgeschacher und die Postenverteilung.

Was Letzteres betrifft, ist das Europäische Parlament nicht souverän, sondern den Entscheidungen der nationalen Regierungen nachgeordnet. Das EU-Parlament ist ein undemokratisches Organ zur Scheinlegitimation der Herrschenden aus Politik und Ökonomie in produktiver, distributiver und Zirkulationshinsicht.

Das Auftreten der Abgeordneten des EU-Parlaments in der Öffentlichkeit ist daher blass. Man kann sie vergessen. Zwischen den Wahlterminen werden sie nur ganz vereinzelt wahrgenommen, abhängig von der Scheuklappen-Berichterstattung der nationalen Medienkartelle.

Warum soll also ein klassenbewusster Werktätiger/eine klassenbewusste Werktätige an der Wahl zum Europäischen Parlament teilnehmen und dann auch noch die DKP wählen?

Allein um den Rechten („Europagegnern“) Paroli zu bieten? (Darauf lief die Wahlmobilisierung der Etablierten hinaus. Nicht ganz ohne Erfolg; der Antifaschismus als agitatorische Triebkraft, deren Wurzeln in der Arbeiterbewegung zu finden sind.) Oder aus Mitleid, um die DKP nicht völlig im Regen stehen zu lassen. (Die Losungen „EU = Krieg“ oder „EU = Flucht“ waren ja nicht verkehrt.)

Aber – ehrlich und dialektisch gedacht – warum sollten gerade die Klassenbewussten unter den Werktätigen DKP-Kandidat/inn/en in das parlamentarische Theater einer EU wählen, welche Krieg bedeutet und Flucht? Doch nicht etwa auf die Gefahr hin, dass die herrschende Politik des Militarismus, der imperialistischen Rohstoffausbeutung und der Unterdrückung der Massen dadurch ein scheindemokratisches Mäntelchen erhält – scheindemokratisch, weil sich eine Gruppierung wie die DPK im EU-Parlament in der Minderheit befindet?

„Aus der Schwäche lernen“ war die Überschrift der Debattenseite in der UZ vom 19. Juli. Aber aus wessen Schwäche können, ja müssen Kommunistinnen und Kommunisten lernen? In erster Linie nicht aus der eigenen Schwäche (sie muss vielmehr überwunden werden: theoretisch und praktisch), sondern – dialektisch – aus derjenigen des pseudoliberalen Globalkapitalismus und seiner europäischen Variante!

Das kapitalistische System geht auf sein Ende zu: ökonomisch, ökologisch, militärisch. In dieser historischen Situation Genossinnen und Genossen ins Europäische Parlament zu entsenden, bedeutet nicht begriffen zu haben, dass diese Männer und Frauen für Wichtigeres gebraucht werden. Der Kampf für den Sozialismus findet nicht in Brüssel und Straßburg statt.

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"Aus der Schwäche lernen. Aber aus wessen Schwäche?", UZ vom 9. August 2019



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