In einem Interview für UZ hatte der Bremer Professor Wolfram Elsner darauf hingewiesen, dass die steigenden Gaspreise in Deutschland zum erheblichen Teil Ergebnis einer arroganten Fehleinschätzung der „EU-Kommission mit der Oberstrategin Ursula von der Leyen“ seien, die aus langfristigen Gasverträgen mit Russland ausgestiegen sind und auf sinkende Gaspreise spekuliert hätten (siehe UZ vom 17. Dezember 2021). Deren Spekulationsverhalten hat schon länger Nachahmer auf dem Energiesektor – hier vor allem dem Strommarkt – gefunden. Die Zeche zahlt allerdings anders als im zitierten Fall, wo sich die private Haushaltslage von Frau von der Leyen durch diese Fehleinschätzung nicht ändert, inzwischen eine auf zehntausend zu schätzende Zahl von Stromkunden.
Kurz vor Weihnachten meldet die „WirtschaftsWoche“ die Insolvenz der Neckermann Strom AG. Das Unternehmen sei „ein unabhängiger Ökostrom- und Gasanbieter im deutschsprachigen Raum mit Schwerpunkt auf Grünstromtarifen für Nachtspeicher- und Elektroheizsysteme sowie Ladestrom“ und habe deutschlandweit rund 13.000 Verbraucher beliefert. Das Geschäftsmodell dieser Firma, deren früherer Werbespruch „Neckermann macht’s möglich“ hieß, war ähnlich wie das ebenfalls pleite gegangener Firmen wie der „Optima AG“ so, dass sie mit viel Erfolg versucht hatten, anderen Anbietern Stromkunden abzujagen. Versprochen wurden denen, die auf der Suche nach günstigen Preisen waren, Verträge mit langfristiger Preisbindung zu günstigen Tarifen. Angesichts gestiegener Energiepreise am Weltmarkt mussten Neckermann & Co. dafür aber höhere Preise zahlen als der Endverbraucher. Das konnte vor allem für kleinere, junge Unternehmen mit geringer Eigenkapitaldecke nicht lange gut gehen.
Seitens der staatlichen Behörden wird dieses Marktgeschehen und das Wechselverhalten der Kunden begrüßt: Die Bundesnetzagentur, die für die Überwachung des Energiemarktes zuständig ist, hat in ihrem sogenannten „Monitoringbericht 2021“, den sie gemeinsam mit dem Bundeskartellamt herausgibt, im Dezember 2021 ausdrücklich festgestellt, die hohe Wechselbereitschaft der Kunden lasse „erkennen, dass die Verbraucher die sich bietenden Möglichkeiten zum Sparen immer aktiver nutzen“. Über fünf Millionen „Lieferantenwechsel“ habe es im letzten 12-Monats-Überwachungszeitraum gegeben – eine Reaktion auf die 2021 anziehenden Strompreise.
Wo früher kommunale Stadtwerke ohne Gewinnerzielung in der Regel reibungslos die Versorgung der Haushalte mit Strom, Wasser und Gas sicherstellten, tummeln sich mittlerweile über 1.000 Stromanbieter und knapp 1.000 Gasanbieter. Da verlieren nicht nur Verbraucher langsam den Überblick, sondern auch Aufsicht und Schnäppchenjäger aus dem Unternehmerlager. Erwischt hat es im vergangenen Jahr fast 40 Anbieter mit wohlklingenden Namen wie „Smiling Green Energy“ im Hamburger Markt bis hin zur „Fulminant Energie“ mit Sitz bei München.
Wie die Zeitschrift „Capital“ mit Verweis auf die Bundesnetzagentur am 5. Januar berichtete, seien das „doppelt so viele wie im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre“. Von den insolvent gegangenen Firmen bedienten danach 29 nur Stromkunden, vier nur Gaskunden und sechs Anbieter handelten mit Strom und Gas.
Rettungsanker für die Gestrandeten im Wilden Westen des Strommarktes sind die von den Neoliberalen aller Schattierungen geschmähten kommunalen Stadtwerke. Sie übernehmen die Versorgung der Kunden der Pleiteunternehmen – müssen aber natürlich, weil sie dann den Strom oder das Gas zusätzlich zu ihren laufenden Verträgen zu aktuellen Konditionen, also teurer einkaufen, dafür höhere Preise verlangen als die der aus der Kurve geflogenen Schnäppchenjäger.
Angesichts dessen ist es folgerichtig, dass die jetzt angelaufene Unterschriftensammlung für einen Energiepreisstopp auch die Forderung beinhaltet, die Energieversorgung in die öffentliche Hand zu überführen. Das würde nicht nur die monströse Aufsicht des turbulenten Energiemarktes durch Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt überflüssig machen. Eine der Gemeinnützigkeit verpflichtete kommunale Versorgung für Strom, Wasser und Gas würde auch die Demokratie vor Ort, Preisstabilität und nicht zuletzt die Versorgungssicherheit stärken.
Die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) hat eine Kampagne für einen gesetzlichen Preisstopp für Energiekosten für private Haushalte und kleine Unternehmen gestartet. Zu den Forderungen der Kommunisten gehören auch das Verbot von Strom- und Gassperren und ein Energiezuschlag für Hartz-IV-Empfänger.Auch die DKP setzt mit ihrer Aktionstätigkeit hier an, geht aber darüber hinaus, indem sie die Energiekonzerne in den Blick nimmt. Während die Bevölkerung die Krisenlasten zahlen soll, fahren die Monopole Gewinne ein. Die DKP fordert eine Energiewende mit dem Kern der Verstaatlichung der Energiekonzerne. Sie gehören in öffentliche Hand. Ab diesem Wochenende kann die Kampagne „Energiepreisstopp jetzt!“ mit einer Unterschrift unterstützt werden. Und natürlich darf auch kräftig mitgesammelt werden.
www.energiepreisstopp-jetzt.de