Der kubanische „Dramaturg“ Yunior García Aguilera und die von ihm nach den gewalttätigen Ausschreitungen vom 11. Juli aufgebaute Facebook-Gruppe „Archipiélago“ rufen für Montag zu neuen „Protestdemonstrationen“ auf. Die Systemgegner, ihre Hintermänner und Unterstützer wollen damit ähnliche Szenen provozieren, wie sie von den Umsturzversuchen in Venezuela, Nicaragua und den „Protesten“, die im Jahr 2019 dem Putsch in Bolivien vorausgingen, bekannt sind. Um globale Aufmerksamkeit zu erzeugen, organisieren rechte Contra-Gruppen weltweit in rund 70 Städten begleitende Aktionen zur Unterstützung der Regime-Change-Kampagne. Auch in Deutschland ist mit Angriffen militanter Antikommunisten auf Einrichtungen, Organisationen und Personen zu rechnen, die zur Solidarität mit dem sozialistischen Kuba aufrufen.
Yunior García Aguilera, der zum neuen Star der Contra-Szene aufgebaute Hauptorganisator der Aktionen, hatte die „neuen Proteste“ zunächst für den 20. November angekündigt. Eine gezielte Provokation. Denn dieses Datum wird in Kuba traditionell und seit Jahren als „Tag der nationalen Verteidigung“ begangen. Es ist der Höhepunkt mehrtägiger Manöver der „Fuerzas Armadas Revolucionarias“ (FAR) und der Milizen zur Sicherung des Landes gegen mögliche Angriffe. Trotzdem verbreiteten Agenturen wie die US-amerikanische „AP“ und die spanische „Efe“ die Meldung: „Kuba ruft am Tag des Oppositionsmarsches zu einer Militärübung auf.“ „AP“ zitierte García am 9. Oktober mit dem Vorwurf: „Auf die Ankündigung unseres Marsches reagiert sie (die Regierung) mit der Androhung von Waffen.“ Nachdem damit der Eindruck erweckt worden war, Kuba würde sein Militär aus Anlass der „Proteste“ mobilisieren, änderten García und seine Gefolgsleute das Datum auf den 15. November. Auch dieser Tag wurde mit erkennbarer Absicht gewählt.
Am kommenden Wochenende soll die kubanische Bevölkerung nach Monaten der Einschränkungen wieder ein Stück Normalität zurückgewinnen. Schulen gehen nach mehr als 18-monatiger Corona-Pause in den Regelbetrieb über und das Land öffnet seine Grenzen wieder für den internationalen Tourismus. „Wir müssen die touristische Hochsaison in den Monaten November und Dezember nutzen, um die Wirtschaft, die im vergangenen Jahr um 10,9 Prozent geschrumpft ist, mit Liquidität zu versorgen“, schrieb die Nachrichtenagentur „Prensa Latina“. Dadurch, so die Hoffnung, könnte der Tiefpunkt der Versorgungskrise überwunden und eine wirtschaftliche Erholungsphase eingeleitet werden. Die Gegner des kubanischen Systems müssen allerdings fürchten, dass das Schwert der US-Blockade dann stumpfer wird und die Bevölkerung sich dem Würgegriff der – auch von US-Präsident Joseph Biden mehrfach verschärften – Sanktionen zunehmend entziehen kann. In Washingtons Interesse liegt es deshalb, eine durch die erfolgreiche Impfkampagne und die Leistungen des kubanischen Gesundheitssystems ermöglichte schrittweise Rückkehr des Landes zur Normalität zu verhindern oder wenigstens zu stören.
Die Organisatoren der „Proteste“ bestreiten derartige Motive natürlich. „Der Vorwurf, dass wir Verbindungen in die USA haben und von dort finanziert werden, ist absolut falsch“, beteuerte García am 28. Oktober in der „taz“. Vier Tage später enthüllte der Arzt Carlos Leonardo Vázquez González, ein Undercover-Ermittler der kubanischen Spionageabwehr, dass der „Archipiélago“-Gründer bereits seit Jahren als politischer Agent im Dienste der USA tätig ist. Das belegen unter anderem Fotos von einem Treffen des Systemgegners mit dem US-Geheimdienstoffizier Alexander Augustine-Marceil in der Residenz des Geschäftsträgers der US-Botschaft in Havanna. 2018 hatte García bereits eine Contra-Konferenz in Buenos Aires und im September 2019 einen Workshop der US-amerikanischen „Saint Louis University“ in Madrid besucht, an dem auch der Agent Fernando, wie Vázquez González mit Decknamen hieß, teilnahm. Wie dieser berichtet, hatten dort Vertreter aus den USA und anderen Ländern unter anderem über die „Rolle der kubanischen Streitkräfte für einen demokratischen Übergang“ referiert und die Teilnehmer aus der Inselrepublik aufgefordert, Kontakte zu Angehörigen und ehemaligen Mitglieder der FAR zu knüpfen, die „offen für Veränderungsprozesse“ sind.
Entsprechend diesem Auftrag suche García mit den zunächst für den 20. Oktober angekündigten Aktionen „die Konfrontation zwischen der Bevölkerung und den Fuerzas Armadas“, vermutet Undercover-Agent „Fernando“. Die ganze Planung sei ein Szenario aus dem Drehbuch für farbige Revolutionen. Dazu gehören auch unterstützende Contra-Aktionen in mehreren deutschen Städten.