Irgendwie scheint es angekommen zu sein in Berlin, dass die globale Dominanz des Westens zu bröckeln begonnen hat. Er sei „fest überzeugt“, teilte Kanzler Olaf Scholz vergangene Woche am ersten Tag seiner Afrikareise in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba mit, dass es künftig „in einer multipolaren Welt“ wohl eine ganze Reihe von Staaten geben werde, „die Einfluss nehmen, die Gestaltungsinteressen haben“. Deutschland soll da natürlich nicht zu kurz kommen. Daher gelte es, erklärte der Kanzler, die Länder im Globalen Süden „ganz neu in den Blick zu nehmen und Partnerschaften auf Augenhöhe zu begründen“. Gesagt, getan: Scholz tat den ersten Schritt. Er setze sich dafür ein, teilte er nach einem Treffen mit Moussa Faki Mahamat mit, dem Kommissionsvorsitzenden der Afrikanischen Union (AU), dass die AU einen Sitz bei den G20 bekomme: Dies gebiete „der Respekt vor dem Kontinent“. Bei den G20, ohnehin nicht grade eins der wirklich mächtigen Foren der internationalen Politik, ist Europa mit vier Staaten plus der EU vertreten, Afrika nur mit Südafrika. Nun grade mal noch die AU hinzu packen – das war’s? Augenhöhe? Respekt? Nun, Scholz eben.
Die „multipolare Welt“: Sie hat auf der Afrika-Reise des Kanzlers eine wichtige Rolle gespielt. In Addis Abeba, wo Scholz mit Äthiopiens Premierminister Abiy Ahmed und mit mehreren Repräsentanten der AU zusammentraf, standen zunächst die Konflikte und Kriege in Ostafrika auf der Tagesordnung – der inzwischen beigelegte Krieg in Äthiopien, der neu entflammte Konflikt im Sudan. Ambitionen, militärisch einzugreifen, hat die Bundesregierung nach dem totalen Scheitern des Bundeswehreinsatzes in Mali zur Zeit nicht; entsprechend lobte Scholz die Konfliktlösungsbemühungen der AU. Sorgen bereitete ihm, dass die Kämpfe im Sudan wieder einmal Menschen auf die Flucht treiben. Bisher flöhen sie zwar nur in die Nachbarländer, hielt Scholz fest. Das dürfe aber nicht dazu „verführen“, die Gefahr „nicht so ernst zu nehmen, wie sie ist“. Man müsse dringend den Bürgerkrieg beenden, „so dass die Flüchtlinge auch zurückkehren können“.
Dann kam der Kanzler zum Eigentlichen: zum Ukraine-Krieg. Die AU ist weiterhin trotz penetranten Drucks aus dem Westen nicht bereit, sich auf dessen Seite zu schlagen und sich offen gegen Russland zu positionieren. Also bohrte Scholz weiter, mimte den Verteidiger des internationalen Rechts. Erfolg hatte er nicht: Natürlich weiß man auch in Ostafrika, wer die meisten Angriffskriege der vergangenen Jahrzehnte führte.
Gemischt waren die Resultate, die Scholz am zweiten und dritten Tag seiner Reise erzielte – in Kenia, wo er mit Präsident William Ruto zusammentraf. Kenia hat den russischen Angriff verurteilt, spricht sich aber zugleich für eine baldige Verhandlungslösung aus – kein voller Punktgewinn für Scholz. Allerdings ist Ruto zur Zeit bemüht, Kenia, wo in den vergangenen Jahren China erheblich an Einfluss gewonnen hat, an den Westen anzunähern, und er hat begonnen, ziemlich eng mit den Vereinigten Staaten zu kooperieren. Ob er damit nur Chinas starke Position ausbalancieren oder aber einen umfassenden Kurswechsel einleiten will, ist nicht ganz klar. Scholz bemühte sich jedenfalls nachzuhelfen und sagte Kenia Unterstützung bei der Umstellung auf erneuerbare Energien zu. Ein Wermutstropfen: Ursprünglich hatte Kenia im Februar den diesjährigen AU-Vorsitz übernehmen wollen; das hätte vielleicht ein wenig geholfen, Chinas Stellung in Afrika zu schwächen. Durchgesetzt haben sich nun aber die Komoren. Deren AU-Vorsitzender Azali Assoumani hat sich dafür ausgesprochen, „dass China seine Souveränität über die Insel Taiwan herstellen kann“. Scholz kam mit ihm in Addis Abeba zusammen. Umstimmen konnte er ihn nicht.