Zehn Jahre lang war Peter Feldmann Oberbürgermeister der Finanzmetropole Frankfurt am Main, damals noch als Mitglied der SPD. Im Jahr 2022 wurde er im Zuge einer auch von großen Medien vorangetriebenen und von zahlungskräftigen Gegnern finanzierten Kampagne abgewählt. UZ sprach mit ihm über die katastrophale Lage auf dem Frankfurter Wohnungsmarkt, den in seiner Zeit eingeführten Mietpreisstopp und den Zorn der Immobilieninvestoren.
UZ: In Ihrer Zeit als Oberbürgermeister wurde in Frankfurt ein Mietpreisstopp für die öffentlichen Wohnungsunternehmen eingeführt. Was hat es damit auf sich?
Peter Feldmann: Der Druck auf dem Frankfurter Wohnungsmarkt ist groß, es werden zum Teil extreme Mieten von 19 oder 20 Euro pro Quadratmeter verlangt. Selbst ein gutes Facharbeitergehalt reicht da hinten und vorne nicht aus. Es gibt deswegen heute eine junge Generation, die sagt: Mit solchen Preisen werden wir knallhart aus der Stadt gemobbt. Vor diesem Hintergrund entstand die Forderung nach einem „Mietpreisstopp“, die von Mieterinitiativen und Gewerkschaften engagiert vorangetrieben wurde. Ich durfte daran auch ein bisschen – zum Beispiel als bekannter Unterschriftensammler – mitwirken. Der Mietpreisstopp schreibt eine maximale Mieterhöhung von 1 Prozent vor, was im deutlichen Gegensatz zur sonst raketenhaften Mietentwicklung in Frankfurt steht. Zuerst eingeführt wurde er bei der ABG, der großen stadtnahen Wohnungsgesellschaft. Das Ziel war, den Mietpreisstopp später auch auf die Nassauische Heimstätte zu übertragen. Das passierte dann auch, allerdings nur bis zu einer Einkommensgrenze von 84.000 Euro für eine Familie mit zwei Eltern und zwei Kindern. Im Anschluss gab es die gleiche Debatte bei der landeseigenen GWH. Dafür wurden auch Verträge mit der GWH erarbeitet, die jetzt allerdings leider ungenutzt im Keller des Dezernates liegen. Dennoch war es insgesamt ein Erfolg. Je nachdem, wie man es rechnet, profitieren heute zwischen 150.000 und 200.000 Menschen vom Mietpreisstopp.
UZ: Aber flächendeckend ist das nicht. Die halbherzige Umsetzung bei der Nassauischen Heimstätte überzeugt auch nicht. Was muss passieren?
Peter Feldmann: Gut ist, dass es bei der Nassauischen Heimstätte inzwischen zum Teil Mieterratsstrukturen gibt. Dort engagieren sich vor allem Menschen mit einer gewerkschaftlichen Orientierung. Die haben Erfahrungen mit Kämpfen und wissen, dass man zum Beispiel Lohnerhöhungen nicht nur für eng begrenzte Einkommensgruppen, sondern immer für alle erkämpfen muss. Das Gleiche muss auch für Mieter gelten, die zusammen gegen den Mietenwahnsinn vorgehen. Man darf eine Klassenspaltung zwischen Niedrigst- und unteren Mitteleinkommen nicht zulassen. Natürlich wollen auch Facharbeiterfamilien mit zwei Einkommen Sicherheit bei den Wohnkosten haben. Darum geht es ja auch letztendlich beim Mietpreisstopp. Es ist falsch, dass sie davon ausgeschlossen sind.
UZ: Kann so ein Mietpreisstopp für öffentliche Wohnungsunternehmen überhaupt helfen, den Mietenwahnsinn insgesamt einzufangen?
Peter Feldmann: Dahinter steckt ein kleiner Trick. Die Mieten fließen erst dann in den Mietspiegel ein, wenn irgendwelche Erhöhungen stattfinden. Wenn die Miete stagniert, dann zählt sie im Mietspiegel gesetzlich nicht mit. Deshalb hatten sich Gewerkschaften und Mieterinitiativen auf diese Möglichkeit von Mini-Mieterhöhungen geeinigt. Dadurch wird der raketenhafte Anstieg der Mieten begrenzt und der Spielraum für Vermieter verkleinert. Damit wirkt der Mietpreisstopp auf den Gesamtmarkt. Er liefert außerdem ein Modell für die Menschen, die in den Kämpfen mit ihren privaten Mietkonzernen stehen. Viele Leute erkennen: Bei der ABG gibt es jedes Jahr einen Rekordgewinn, der nicht dadurch entsteht, dass den Menschen immer höhere Mieten abgepresst werden. Sondern dadurch, dass ein regelmäßiger Wertzuwachs bei den Immobilien stattfindet. Diese sonst versteckten Gewinne werden etwas transparenter. Das befeuert die Auseinandersetzung.
UZ: Mit dieser Politik haben Sie sich nicht nur Freunde gemacht …
Peter Feldmann: Nein (lacht). Ich denke, das war sicher ein entscheidender Punkt in der Diskussion, ob ich Oberbürgermeister bleiben darf. Vordergründig diskutiert wurden meine familiären Verhältnisse. In Wahrheit ging es um Kapitalinteressen und natürlich knallhart ums Geld. Diejenigen, die damals die Kampagne gegen mich finanziert haben, kamen zum großen Teil aus dem Bereich der Immobilieninvestoren. Die haben viel Geld verloren, weil sie in eine Stadt investiert haben, in der die öffentlichen Mieten gedeckelt wurden. Sie dachten, sie können also bald künftig nicht mehr alles herausholen, was die Not der Menschen hergibt.
UZ: Private Vermieter und Wohnungskonzerne betrachten die Dämpfung beim Anwachsen des Mietspiegels also als Eingriff in ihr Eigentum?
Peter Feldmann: Investoren haben mir direkt gesagt, dass ich ihnen jetzt ins Portemonnaie greife. Während meiner Zeit als Oberbürgermeister habe ich ja eine Politik gemacht, die in diesen Kreisen nicht sehr beliebt war. Es gab 1-Euro-Tickets für Schüler und Senioren, kostenfreie Kitas, Zoo-, Museums- und Schwimmbadbesuche für Kinder und Jugendliche. Das wurde mir von den Konservativen noch „verziehen“. Bei der Wohnungspolitik und dem von mir mit durchgesetzten Mietpreisstopp war dann Schluss mit dem Verständnis. Fast noch schlimmer war allerdings für viele Investoren, dass wir für neue Bauvorhaben Quoten von 50 Prozent für Sozial- und Familienwohnen, 15 Prozent für Genossenschaftswohnen und 5 Prozent für Studenten- und Lehrlingswohnen vorgegeben haben. Das hielten die für einen „halben Sozialismus“.
UZ: Ihren Profit ziehen die Investoren aber nicht nur aus überteuerten Mieten, sondern auch aus der Spekulation mit Immobilien. In Frankfurt gibt es auch eine ganze Menge Leerstand …
Peter Feldmann: Das ist etwas, was die Menschen zu Recht wütend macht. Die Not ist groß. Mehr als 30.000 Menschen suchen nach Wohnungen. Wenn dann gleichzeitig Wohnungen im vierstelligen Bereich leer stehen, kann das niemand mehr nachvollziehen. Jede Wohnung, die aus spekulativen Gründen dauerhaft leer steht, ist eine unglaubliche Provokation. Einfach nur, weil jemand Häuser haben will, die später mehr wert sind. An dem Punkt muss die Eigentumsfrage gestellt werden. Das Grundgesetz Artikel 15 sagt sehr klar, dass Grund und Boden zu vergesellschaften sind, wenn das notwendig ist. Die Diskussionen um Hausbesetzungen nehmen wieder zu. Ich habe mehr als nur ein bisschen Verständnis dafür, wenn gerade Studenten oder Lehrlinge sagen: Mir reicht es! Ich kann nichts von diesen Wuchermieten bezahlen und da steht etwas leer – gut, dann nehmen wir uns halt das Haus. Mir ist schon bewusst, dass das illegal ist. Aber es ist wichtig aufzuzeigen, wo es wirklich brennt. Wenn das nicht anschaulich und begreifbar gemacht wird, kommt keine Bewegung.
UZ: Wie weit reichte denn Ihr Verständnis, als Sie selbst noch Oberbürgermeister waren?
Peter Feldmann: Es gibt aus meiner Zeit einen Magistratsbericht, in dem drinsteht, dass „symbolische“ Hausbesetzungen für einen gewissen Zeitraum geduldet werden. Das war sogar für Leute in Ordnung, die solche Aktionen eigentlich nicht gut finden, aber immerhin nachvollziehen konnten, warum junge Leute das machen. Man muss kein Kommunist sein, um das zu verstehen.