Aus der Sommerpause kommend tat Jan Böhmermann gut daran, zuerst einmal seine Erfolge ausgiebig zu feiern und das zu tun, was er kann: Musikvideos drehen. Unter dem Namen „Pol1z1stens0hn“ hatte Jan Böhmermann mit „Ich hab Polizei“ selbsternannte Copkiller wie den Interpreten „Haftbefehl“ handwerklich so getreu und gut nachgemacht, dass Original und Fälschung eine ähnliche Fanbase – also geneigte ZuhörerInnenschaft – haben dürften.
Nun feiert er mit „Blasser dünner Junge“ sich selbst und zählt in seiner Show noch einmal auf, was er geleistet hat, seit er seine Sendung „Neo Magazin Royal“ im Zweiten Deutschen Staatsfernsehen platzieren konnte. Mit „Varoufake“ stiftete er Verwirrung, indem er behauptete, den von Günter Jauch per Videobeweis präsentierten Stinkefinger des damaligen griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis gefälscht zu haben. Das Team Jauch hatte einen Clip aus dem Internet gezogen und beim sonntäglichen Polittalk gezeigt, um ihn als ernstzunehmenden Gesprächspartner tot zu machen.
Einen weiteren Treffer landete Böhmermann, als er zwei von ihm engagierte Schauspieler bei der Sendung „Schwiegertochter gesucht“ platzierte. Das Format gehört zu der Sorte Fernsehen, die von sich behauptet, Realität abzubilden und mit echten Menschen zu arbeiten. Dafür werden von asozialen Fernsehmachern möglichst kaputte und skurrile Opfer gesucht, die dann nach Script „sie selbst“ sein sollen: dämlich, verroht, emotional überfordert. Böhmermann lieferte den TV-Machern entsprechendes Menschenmaterial frei Haus, diese nahmen dankend an.
Wer den Namen Böhmermann bis dato noch nicht gehört hatte, dem wurde das Schmähgedicht über den türkischen Staatspräsidenten Erdogan ein Begriff. Der „Spaßvogel“ brachte es zur Staatsaffaire – die dann vielleicht doch eine Nummer zu groß für ihn ist. Das Gedicht selbst hat kaum einer gehört oder gelesen, es tut auch nichts zur Sache. Er hat nur derber provoziert als andere. Gerade mit dieser Nummer, die am meisten Aufregung erzeugte, blieb er behäbig und eher bundesdeutsch antitotalitär. Ist nicht sein Fach, auch wenn die Grenzüberschreitung (Hitlerwitze u. ä.) ständige Begleiterin seiner Sendung ist, Füllstoff sozusagen. Nur was sozial-medial aufgegriffen wird und für ordentlich Aufregung sorgt, wird thematisch eventuell aufgegriffen.
Böhmermann ist dann richtig gut und verdient Respekt, wenn er – wie er in seinem neuem „Pol1z1stens0hn“-Clip blökt – nach unten buckelt, nach oben tritt. Auch wenn sein Verständnis von dem, was oben ist, sich eher auf Figuren wie Vera Int-Veen, Sami Slimani oder Renate Künast bezieht. Da ist viel Luft nach oben.