Richard Corell und Stephan Müller zu den Spitzen des deutschen Finanzkapitals

Aufstieg und Sinkflug des Zeppelin-Clans

In unserer monatlich erscheinenden Serie „Unsere Oligarchen“ sind bisher veröffentlicht: „Oetker: Pudding für die Heimatfront“, „Liz Mohn: Leitkulturschaffende“ (Bertelsmann), „Porsche und Piëch“ und „Nathalie von Siemens“.

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( wikimedia.org/public domain)

Der Aufstieg der Zeppelins als Oligarchen begann mit dem Absturz des Fluggerätes des Grafen Ferdinand 1908. Die als Folge ausgerufene nationale Zeppelinspende erbrachte sechs Millionen Mark, dem heutigen Goldpreis entsprechend gut 60 Millionen Euro. So wurde sozusagen per Crowdfunding im Rahmen der ersten Großaufrüstung des deutschen Imperialismus die Grundlage für die Zeppelinstiftung gelegt. Der gehört heute die Zahnradfabrik Frie­drichshafen (ZF), Zulieferer zur Produktion von Fahrzeugen von VW bis Leopard, ein Koloss mit einem Umsatz über 30 Milliarden Euro. 2014 wurde die US-Firma TRW übernommen, die Zahl der Beschäftigten wuchs von 71000 auf 138 000. Mit Bosch und Schäffler/Continental gehört ZF zu den vier großen Fahrzeugzulieferern der Welt.

Für Verdruss sorgen beim Urenkel des Grafen, Albrecht von Brandenstein-Zeppelin (Cousin von Gerd von Brandenstein, bis 2015 Sprecher der Familie Siemens) immer noch die Weltkriegs-Niederlagen des deutschen Imperialismus, besonders die zweite. 1947 wurde der Zeppelinstiftungszweck „Forschung in den Bereichen Luftschiffbau und Luftfahrt“ gestrichen zugunsten der Stadt Frie­drichshafen, der die Stiftung übertragen wurde. Geblieben war den Zeppelins neben Landsitzen, Ländereien und einem sehr katholischen Buchverlag auch eine knapp 5-Prozent-Beteiligung an der Maschinen und Turbinen Union (MTU). Die MTU, der ehemalige Zeppelin-Motorenbauer Maybach, hatte als Triebwerklieferant der Naziwehrmacht „Weltruf“ erlangt. Daimler-Benz kaufte im Zuge der Wiederaufrüstung nach und nach eine große Beteiligung an MTU, um sie in den geplanten Technologie- und Rüstungskonzern DASA einzugliedern, aus dem dann EADS und Airbus Group wurde. Brandenstein-Zeppelin wollte aber seinen MTU-Anteil lieber ausdehnen als verkaufen, um den 1947 verlorenen Platz im Kreis der Oligarchen wiederzugewinnen. Er betrieb deshalb einen Verkauf von MTU an den US-Rüstungs-Finanzinvestor Carlyle (bekannt durch gemeinsames Investment der Familien Bush und Bin Laden). Die Bundesregierung stellte aber klar, dass es sich bei dem Motorenbauer um eine Rüstungsfirma handelt, die unter das Außenwirtschaftsgesetz fällt, der Verkauf also zustimmungspflichtig war. Als Daimler dann noch den Maybach-Clan zu sich hinüberziehen konnte, knickte der „rebellierende Familienclan“ Brandenstein-Zeppelin ein und verkaufte für 180 Millionen Euro. Seitdem findet man sich auf der Focus-Liste der 500 Reichsten nur mehr auf Platz 458.

Widmet sich Albrecht, der als Lebensziel angegeben hat, dass Gott „durch ihn größere Wunder“ vollbringen möge, nun ganz seinem erzreaktionär-katholischen Treiben mit dem gleichgesinnten Maschinenbauerben Hubert Liebherr und Josef „Benedikt“ Ratzinger? Keineswegs: Statt weiter in die Heiligsprechung des österreichischen Kaisers und Kriegsverbrechers Karl oder ukrainischer Faschisten zu investieren, versucht sich der Adelsmann gegenwärtig wieder in die Zeppelin-Stiftung hineinzuklagen. Der „Willkürakt“ von 1947 sei aufzuheben und die Stiftung solle wiederhergestellt werden, wie sie vor 1945 existierte. Nachdem Friedrichshafen am Boden- und nicht am Müritzsee liegt, kann aber vermutlich nur ein Wunder das Restitutionsbegehren des Möchte-auch-wieder-gern-Oligarchen zum Erfolg führen.

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"Aufstieg und Sinkflug des Zeppelin-Clans", UZ vom 1. Juli 2016



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