Aufstehen für die Pflege

Lars Mörking. im Gespräch mit Hilke Sauthof-Schäfer

Hilke Sauthof-Schäfer ist Gewerkschaftssekretärin bei ver.di für den Bereich Gesundheit, soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen

UZ: „Pflege am Boden“, das „Bündnis für Pflege“, die Aktion zu Personalnot in den Krankenhäusern („Mehr von uns ist besser für alle“), die Petition für eine gesetzliche Personalbemessung, die allein 180 000 Unterschriften bekommen hat – viel bewegt sich und dennoch ist die Arbeitsbelastung besonders in den Pflegeberufen unvermindert hoch. Was kann ver.di, was können die KollegInnen denn noch tun, um eine Verbesserung zu erstreiten?

Hilke Sauthof-Schäfer: In der Aufzählung fehlt u. a. noch „Aufstehen für die Pflege“, was ich übrigens besser finde als die Formulierung „Pflege am Boden“.

Aber es ist richtig, zum Thema Pflege ist viel passiert und es muss noch sehr viel mehr passieren. Wir brauchen sowohl breite gesellschaftliche Bündnisse als auch betriebliche Aktionen. Es muss unbedingt eine Entlastung der Kolleginnen und Kollegen geben, die derzeitige Situation ist nicht durchzuhalten. Das betrifft alle Berufsgruppen im Krankenhaus.

UZ: Ist der Kampf der Kolleginnen und Kollegen am Berliner Universitätsklinikum Charité hier Vorbild?

Hilke Sauthof-Schäfer: Das Beispiel Charité ist sicherlich nicht einfach auf andere Standorte übertragbar. Aber inzwischen werden die an der Charité gemachten Erfahrungen – der lange Kampf der Beschäftigten für mehr Personal im Krankenhaus – bei ver.di positiv bewertet. Aber wir merken auch, dass es eine sehr harte und langwierige Auseinandersetzung ist, die Durchhaltevermögen und Unterstützung von außen erfordert.

In Ergänzung dazu wird ja gerade im Saarland versucht in eine ähnliche Auseinandersetzung zu gehen, an der 21 Krankenhäuser beteiligt sind. Dazu gehört eine intensive Öffentlichkeitsarbeit und die Arbeit mit gesellschaftlichen Bündnispartnern.

UZ: Wäre die aktuelle Tarifrunde im Öffentlichen Dienst, in der mit den Kommunalen Arbeitgebern und dem Bund verhandelt wird, nicht eine Gelegenheit, die Frage der Entlastung der Kolleginnen und Kollegen zu thematisieren? Oder spielen kommunale Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen aufgrund der erfolgten Privatisierungen keine Rolle mehr?

Hilke Sauthof-Schäfer: In meinem Bereich – in und um Frankfurt, Main-Taunus, Hochtaunus,Wetterau und Hanau – gibt es noch eine ganze Reihe kommunaler Anbieter und solche, die im Verbund kommunaler Krankenhäuser sind und somit am Verhandlungstisch sitzen.

Die Tarifrunde im Öffentlichen Dienst (Bund und Gemeinden) ist allerdings eine „normale“ Tarifrunde, bei der es um viele verschiedene Berufsgruppen und vor allem um „quantitative“ Forderungen, also ums Geld geht.

Im Wesentlichen spielen hier zwei Punkte eine Rolle: Erstens geht es um eine Entgelterhöhung und zweitens um die Abwehr des Angriffs der Arbeitergeber auf die Zusatzversorgung der Beschäftigten. Wir fordern sechs Prozent mehr bei einer Laufzeit von 12 Monaten, eine unbefristete Übernahme von Ausgebildeten sowie einen Verzicht auf sachgrundlose Befristungen. Die Arbeitgeber wollen von uns dagegen eine pauschale Absenkung der betrieblichen Altersversorgung, was wir grundsätzlich ablehnen.

Bei der „qualitativen“ Forderung nach Entlastung der Beschäftigten geht es den KollegInnen zunächst einmal nicht um Geld, sondern um Arbeitsbedingungen, die nicht krank machen. Diese Entlastung im Beruf wird von vielen KollegInnen dringender eingestuft als die Frage der Entlohnung, obwohl hier natürlich auch Handlungsbedarf besteht. Die Frage der Entlastung wird jedoch Thema einer eigenständigen Tarifauseinandersetzung sein.

UZ: Was ist das Besondere an der Auseinandersetzung um mehr Personal im Gesundheitsbereich, und hier besonders bei den Pflegeberufen?

Hilke Sauthof-Schäfer: Zunächst einmal ist es eine gesellschaftspolitische Frage, weil es hier auch um die Qualität der Versorgung geht, was jeden von uns betrifft. Dann spielt eine Rolle, dass mit den Berufsbildern eine gewisse Bereitschaft zur Aufopferung verbunden ist, sowohl den PatientInnen gegenüber – die ja niemand im Stich lassen will – als auch gegenüber den KollegInnen. Die Arbeitergeber wissen das und nutzen das aus. Trotz hoher Arbeitsbelastung und permanenter Unterbesetzung hat es in der Vergangenheit Stellenreduzierungen gegeben, was fatale Auswirkungen hat, siehe Wallraff-Doku, und auch immer wieder von den KollegInnen aufgefangen wurde-eine Spirale nach unten, die durchbrochen werden muss.

Die Frage nach Entlastung bewegt die KollegInnen, und wir sind da schon einen ganzen Schritt weitergekommen, gerade was die Organisierung und Mobilisierung angeht. Es ist unsere Aufgabe mit den KollegInnen jeweils die Schritte zu entwickeln, die möglich sind und sie weiter auszubauen, so dass auch die Streikfähigkeit hergestellt wird.

Mit ihnen kreative Varianten der Gegenwehr auszuprobieren und öffentlichen Druck zu erzeugen, das macht richtig Spaß.

 

Hilke Sauthof-Schäfer ist Gewerkschaftssekretärin bei ver.di

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"Aufstehen für die Pflege", UZ vom 4. März 2016



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