Am 11. Mai beschloss die Bundesregierung, die Teilnahme der Bundeswehr am Krieg im westafrikanischen Mali trotz des Abzugs französischer Truppen fortzusetzen – mit erhöhter Obergrenze von bislang 1.100 auf 1.400 Soldaten. Zugleich hält man sich eine Hintertür offen: Sollten Lücken, die der Rückzug Frankreichs reißt, nicht gefüllt werden können, „würden Maßnahmen zur Anpassung des deutschen Beitrags eingeleitet, bis hin zur Beendigung des Einsatzes“.
Am 15. Mai kam die Antwort aus der malischen Hauptstadt Bamako: Mali werde sich aus der Gruppe der Sahelstaaten (G5) und deren gemeinsamer Truppe zur Bekämpfung von Dschihadisten zurückziehen. Begründung: Mali werde der turnusmäßige G5-Vorsitz verwehrt. Dahinter steckten „Manöver eines Staates außerhalb der Region“, der „verzweifelt versucht, Mali zu isolieren“. Gemeint war damit offenbar Frankreich, das die Sanktionen westafrikanischer und westlicher Staaten gegen Mali orchestriert. Offizielle Gründe dafür sind der Militärputsch vom Mai 2021 und die Verschiebung der für Februar 2022 angesetzten Parlamentswahlen um bis zu fünf Jahre.
In Wirklichkeit geht es um koloniale Vorherrschaft, also Einflusssphären und Rohstoffe, und die Tatsache, dass der Putsch von Massendemonstrationen, bei denen unter anderem nach russischer Hilfe gerufen wurde, begleitet wurde.
In erfrischend imperialistischer Klarheit hatte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), das am 11. Januar per dpa ausgesprochen: „Die Frage ist, was passiert, wenn wir rausgehen? Machen sich die Russen breit, um das Vakuum zu füllen? Auch größere Unruhen und damit große Fluchtbewegungen sind nicht im Interesse Europas.“ Strack-Zimmermanns Äußerung folgte auf eine am 23. Dezember 2021, also schon wegen des Datums von der Öffentlichkeit nicht wahrgenommene gemeinsame Erklärung von 15 westlichen Staaten, darunter der Bundesrepublik. Darin hieß es: „Wir sind uns der Beteiligung der Regierung der Russischen Föderation an der materiellen Unterstützung des Einsatzes der Wagner-Gruppe in Mali bewusst und fordern Russland auf, zu einem verantwortungsvollen und konstruktiven Verhalten in der Region zurückzukehren.“ Den Alarm hatte offenbar ein Besuch des malischen Außenministers im November 2021 in Moskau ausgelöst. Er hatte dort erklärt, 80 Prozent der technischen Ausrüstung seines Landes stammten aus sowjetischer und russischer Produktion. Beide Länder wollten die Kooperation, die „tiefe historische Wurzeln“ habe, fortsetzen. Im übrigen antwortete die Regierung Malis den 15 Staaten, kein einziger russischer Soldat befinde sich auf ihrem Territorium.
Die Konfrontation zwischen Mali und dem Westen ist das vorläufige Resultat eines Krieges, den Frankreich, Großbritannien und die USA 2011 in Libyen vom Zaun brachen. Er griff rasch auf die Sahel-Staaten über, heute sind sie in ihrer Existenz gefährdet. Je mehr westliche Soldaten in Mali und dessen Nachbarstaaten stationiert wurden, desto mehr Menschen wurden bei angeblich terroristischen Anschlägen ermordet – zwischen 4.000 und 6.000 jährlich. Die Wut in den Bevölkerungen stieg, große Teile verlangen heute, dass die EU-Truppen die Region verlassen. Bleibt aber die Region unruhig, bleibt auch Uran aus Niger für Frankreich billig, wird der Investitionsvormarsch Chinas und Russlands gestoppt.
Nun wollen die Einheimischen nicht mehr abgeschlachtet werden und die Kolonialherrscher aus Paris, London, Berlin und Brüssel können nicht mehr so weitermachen wie bisher. Von Abzug war in der Erklärung der 15 keine Rede. Man klammert sich an Krieg.