Aufstand der Busfahrer

Von LZ

Der schon zwei Wochen lang geführte Streik der Busfahrer in Süd- und Mittelhessen ist am vergangenen Montag unterbrochen worden. Die Gewerkschaft ver.di hat einer Schlichtung zugestimmt. Der Streik betrifft vorwiegend die Region Rhein-Main, deren öffentlicher Verkehr vom RMV (Rhein-Main-Verkehrsverbund) organisiert wird. Das sind die Städte Frankfurt, Darmstadt, Marburg, Hanau, Fulda, Gießen, Maintal, Offenbach sowie der Main-Kinzig Kreis. Allerdings sind die bestreikten Betriebe vorwiegend Privatunternehmen, die im Auftrag der städtischen Verkehrsbetriebe fahren. Für die Arbeitgeber tritt der „Landesverband Hessischer Omnibusunternehmer (LHO)“ auf.

Obwohl der Streik seit Montag, dem 9. Januar effektiv geführt wurde und obwohl die Auswirkungen des Streiks auf die Bevölkerung erheblich war, legte der LHO erst in der zweiten Streikwoche, am 17. Januar ein erhöhtes Angebot vor, das ebenfalls inakzeptabel war. Die Schlichtung wurde von der Arbeitgeberseite vorgeschlagen. Als „ihren“ Schlichter berief sie einen ehemaligen Geschäftsführer des RMV, also jener Organisation, die die Misere der schlecht bezahlten Busfahrer wesentlich zu verantworten hat. Die Gewerkschaft benannte Rudolf Hausmann, einen früheren SPD-Landtagsabgeordneten aus Baden-Württemberg, der den Fachbereich Verkehr bei ver.di in Stuttgart geleitet hatte.

Die Tarifkommission der Gewerkschaft ver.di hatte Ende vergangenen Jahres ein Arbeitgeberangebot des privaten Busverkehrsverbands als völlig unzureichend zurückgewiesen und die Verhandlungen für gescheitert erklärt. In dem Streit geht es um einen Entgelttarifvertrag sowie  um den Manteltarifvertrag. Besonders strittig sind die Punkte Ecklohn, Urlaubsanspruch und betriebliche Altersversorgung. ver.di fordert eine stufenweise Erhöhung des Lohns auf 13,50 Euro die Stunde. Die Arbeitgeber wollen eine Laufzeit bis Ende 2018 und bieten insgesamt nur einen Anstieg des Lohns bis 12,65 Euro. Derzeit beträgt der Stundenlohn kümmerliche 12,00 Euro. Außerdem fordert ver.di die Einführung einer betrieblichen Altersversorgung. Darüber hinaus soll es ab dem 1.1.2017 für jeden Beschäftigten einen zusätzlichen Urlaubstag geben. Wichtig sind auch die Pausenregelungen. Die Busfahrer verlangen, dass es keine Abzüge beim Wenden oder bei Standzeiten geben darf. Es soll nur noch ein maximaler Pausenabzug von 30 Minuten am Tag erfolgen. Bei Dienstlängen unter 5,5 Stunden soll generell gar kein Pausenabzug stattfinden.

Der Streik war in den zwei Wochen vorzüglich organisiert und wurde weitgehend befolgt. In Frankfurt funktionierte der S-, U- und Straßenbahnverkehr. Aber im Umland stellte der Streik für die Bevölkerung eine starke Einschränkung dar. Die lokale Presse berichtete aber, dass es für das Anliegen der Busfahrer unverändert großes Verständnis gebe. Auch deshalb meldeten sich Kommunalpolitiker der Region (vorwiegend von der SPD) zu Wort, die den Arbeitgebern ein Entgegenkommen empfahlen. Das wirkt ein wenig komisch, denn die niedrigen Löhne gehören in diesem Fall zum Konzept der Privatisierung. Die „FAZ“ fragte deshalb: „Ob den Politikern jetzt bewusst ist, dass ihre Kommunen und Kreise davon profitieren, dass durch die Ausschreibung von Buslinien die Löhne der Fahrer nach unten gedrückt worden sind?“

Der gewerkschaftspolitische Sprecher der Linkspartei im hessischen Landtag, Hermann Schaus, brachte in einem Interview mit der „Frankfurter Rundschau“ die Ursachen für die miserable Bezahlung der Busfahrer auf den Punkt:  Aufgrund der europaweiten Ausschreibungen hätten sich alle städtischen Verkehrsbetriebe in den vergangenen zwei Jahrzehnten einen privaten Teil an Busbetrieben geschaffen. In diesem eigenständigen Betrieb wendeten sie den schlechteren Tarifvertrag des Landesverbandes der Hessischen Omnibusunternehmer (LHO) an. In Frankfurt zum Beispiel sei zur Jahrtausendwende der Busverkehr der städtischen ICB vom privaten kleinen Reiseunternehmen, der Firma Sippel, übernommen worden – zunächst nur in Teilen, später komplett. Alle Busfahrer, die neu eingestellt werden, würden zu erheblich schlechteren Tarifbedingungen bezahlt, als sie etwa Mitarbeiter der Verkehrsgesellschaft Frankfurt (VGF) erhalten.

Schaus weist auf die Ursachen, nämlich den von oben verordneten Privatisierungszwang hin.

Durch die europaweiten Ausschreibungen sei ein Unterbietungswettbewerb entstanden, der zu Lasten der Beschäftigen veranstaltet worden sei. Wer aufgrund alter Verträge noch bei den kommunalen Betrieben angestellt ist, werde deutlich besser bezahlt. Das Gros der Busfahrer sei aber in den schlechteren Tarif geschoben worden. Dabei arbeiten die Beschäftigten mit besseren und schlechteren Tarifverträgen teils im selben Gebäude.

Schaus stellt fest, dass es eine öffentliche Aufgabe sei, stattdessen einen preiswerten und gut organisierten öffentlichen Nahverkehr zu haben. Es müsse auch Aufgabe der Kommunen sein, diesen Nahverkehr in Eigenregie zu betreiben. Es sei die Forderung der „Linken“, die Spaltung in die verschiedenen Tarife und den Wildwuchs abzuschaffen, der entstanden sei. Das EU-Recht schreibe zwar vor, dass die Kommunen den günstigsten Anbieter auswählen müssten.

Aber die Kriterien für die Ausschreibungen definierten die Kommunen oder ihre Nahverkehrsgesellschaften selbst. Ihnen gehe es im Nahverkehr, der ja immer defizitär ist, darum, Kosten einzusparen. Deshalb hätten sie die Standards für die Ausschreibungen heruntergeschraubt. Sie hätten durchaus sagen können: Wir wollen bestimmte tarifliche Standards, wir wollen bestimmte Arbeitsbedingungen, wir wollen – was die Busfahrer berechtigterweise fordern –, dass die Wendezeiten als Arbeitszeiten angerechnet werden. An jeder einzelnen Stelle sei in den letzten 20 Jahren gedreht worden, immer auf dem Rücken derjenigen, die die Fahrgäste sicher transportieren sollen.

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"Aufstand der Busfahrer", UZ vom 27. Januar 2017



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