Aufruf zur Invasion ist keine Kunst

„Ich unterstütze eine Invasion. Kommt nach Kuba. Los kommt, kommt! Wir erwarten euch“, appellierte Maykel Castillo Pérez im Internet an die USA. Der als „El Osorbo“ auftretende Rapper ist Mitglied der sich „San-Isidro-Bewegung“ nennenden Gruppe von Systemgegnern, laut westlichen Medien und Politikern „kritische Künstler“ und „Aktivisten zur Demokratisierung der kubanischen Gesellschaft“. Ihre finanzielle, personelle und logistische Unterstützung wird in Berichten verständlicherweise gern unterschlagen.

Bereits im Oktober 2020 hatte sich der Systemgegner Guillermo Fariñas ähnlich geäußert. In einem Interview forderte er „die totale Blockade“ und „eine Intervention“ durch die US-dominierte Organisation Amerikanischer Staaten (OAS). Es sei „unglaublich, dass die Vereinigten Staaten, die stärkste Nation mit den stärksten Streitkräften, in 61 Jahren nicht in der Lage waren, die kubanische Regierung, die kubanische Diktatur und das Castro-Regime zu besiegen“, erklärte der Sacharow-Preisträger.

Fariñas und Castillo Pérez haben Glück, in Kuba zu leben und ihre Aufrufe zur Beseitigung der 2019 in einer Volksabstimmung mit 86,8 Prozent der abgegebenen Stimmen angenommenen sozialistischen Verfassung von dort zu verbreiten. In der Bundesrepublik Deutschland müssten sie für vergleichbare Aktivitäten nach Paragraph 81 des Strafgesetzbuchs „mit lebenslanger oder einer Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren“ rechnen. Schon auf die Vorbereitung solcher vom Gesetz in Paragraph 83 als „hochverräterisch“ bezeichneten Unternehmen stehen zwischen einem und zehn Jahren Haft. In den USA kann ein „Verrat gegen die Vereinigten Staaten“ durch „Hilfe für ihre Feinde“ sogar mit der Todesstrafe geahndet werden.

Auch minderschwere Vergehen wie die „Verunglimpfung oder Herabwürdigung des Staates und seiner Symbole“ sind in der Bundesrepublik Straftatbestände. Während der vor allem durch das Besudeln der kubanischen Nationalfahne in Erscheinung tretende San-Isidro-Aktivist Luís Manuel Otero Alcántara dafür hierzulande also bis zu drei Jahre Knast kassieren könnte, wird ihm applaudiert, wenn er es in Kuba tut.

Den meisten der San-Isidro-Akteure geht es nicht um einen Dialog oder Demokratie. Hätten sie Erfolg, wäre die Folge eine Rückkehr zur Herrschaft der Oligarchie und der US-Konzerne. Kubanische Intellektuelle und Künstler diskutieren nicht erst seit dem Sieg der Revolution über eine eigenständige, von kolonialistischer und imperialistischer Dominanz befreite Kulturpolitik. Der darüber – trotz mancher Irrungen und Wirrungen – nie abgerissene Dialog auch mit Kritikern der sozialistischen Ordnung ist notwendig und nützlich, sofern diese Verfassung und Gesetze des Landes respektieren.

Die Forderung nach einer das Leben und die Freiheit von Zigtausenden gefährdenden US-Invasion ist jedoch – wie der Faschismus – keine Meinung, sondern ein Verbrechen. Wer anderes verbreitet, macht sich zum Komplizen bei einer Regime-Change-Planung, der es nicht um Menschenrechte, Meinungsfreiheit oder Kulturdialog geht, sondern um die brutale Zerstörung eines alternativen Gesellschaftsmodells, das – auch unter den Bedingungen einer grausamen Blockade – täglich zu beweisen versucht, dass eine andere Welt möglich ist.

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"Aufruf zur Invasion ist keine Kunst", UZ vom 19. Februar 2021



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