Drei Jahre lang sanken die deutschen Rüstungsexporte, nun steigen sie sprunghaft – und zwar im ersten Halbjahr um 107 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Am 10. Juli teilte das Wirtschaftsministerium auf Anfrage des Grünen-Bundestagsabgeordneten Omid Nouripour mit, dass von Januar bis Juni Rüstungsexporte im Wert von 5,3 Milliarden Euro genehmigt wurden. Das ist mehr als doppelt so viel wie in den ersten sechs Monaten 2018 und schon mehr als im gesamten vergangenen Jahr (4,8 Milliarden Euro).
In der Rangliste der wichtigsten Empfängerländer stand Ungarn (1,76 Milliarden Euro) an der Spitze vor Ägypten (801,8 Millionen Euro) und Südkorea (277,7 Millionen Euro). Unter den zehn wichtigsten Käuferländern sind mit Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten (Platz sechs mit 206,1 Millionen Euro) zwei Staaten, die gemeinsam mit Saudi-Arabien im Jemen Krieg führen. Eine Absichtserklärung aus dem Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD vom März 2018 ist damit Makulatur. Die Parteien hatten damals verkündet, Waffenverkäufe an „unmittelbar“ in den Jemen-Krieg verwickelte Staaten stark einzuschränken.
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban will die Ausgaben für die Streitkräfte verdoppeln und damit das NATO-Ziel von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreichen. Unter anderem hat er mit Krauss-Maffei Wegmann (KMW) im vergangenen Dezember einen Vertrag zur Lieferung von 44 neugefertigten Kampfpanzern „Leopard 2 A7+“ und 24 neugefertigten „Panzerhaubitzen 2000“ unterzeichnet. Außerdem soll Ungarn laut „FAZ“ Bergepanzer des Typs „Wisent 2“ und Panzerschnellbrücken vom Typ „Leguan“ in Deutschland geordert haben.
Nouripour sagte: „Diese Rekordzahlen führen alle Bekenntnisse einer restriktiven Rüstungsexportpolitik ad absurdum.“ Ähnlich äußerte sich die Partei „Die Linke“: „Die Bundesregierung verletzt nicht nur die Rüstungsexportrichtlinien und den eigenen Koalitionsvertrag. Vielmehr heizen die deutschen Rüstungsexporte Kriege wie in Libyen oder im Jemen an“, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Sevim Dagdelen. „Die Profite der Rüstungsschmieden und geopolitische Interessen sind der Bundesregierung offenbar wichtiger als die Beilegung von Konflikten und die Beendigung von Kriegen.“
Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) behauptete, die sprunghafte Zunahme der Rüstungsexporte sei auf die lange Hängepartie bei der Regierungsbildung nach der Wahl 2017 zurückzuführen. Dadurch sei ein Entscheidungsstau entstanden und der Anstieg daher „nur scheinbar überraschend“. Einen Verstoß gegen den Koalitionsvertrag gebe es nicht.
Der SPD-Rüstungsexperte Thomas Hitschler kritisierte, dass Rüstungsgüter an Staaten geliefert werden, die am Jemen-Krieg beteiligt sind und sagte: „Ich sehe keine vertretbare Grundlage für Rüstungsexporte in diese Region.“ Die Exportgenehmigungen an die Vereinigten Arabischen Emiraten seien nicht akzeptabel. „Die Formulierungen im Koalitionsvertrag sind eindeutig.“ Er forderte ein „verbindliches und restriktives Rüstungsexportgesetz, das eine klare und eindeutige Rechtsgrundlage schafft“.