Inzwischen erreichte die Aufregung über die jüngsten Aussagen des Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert auch das Plenum des Bundestages. Auf Antrag der FDP wurde am Nachmittag des 8. Mai in einer aktuellen Stunde über den „Stand der Wirtschaftsverfassung Deutschlands“ debattiert.
Dabei ging es nicht, wie auch angekündigt, um ein Plädoyer für die „soziale“ Marktwirtschaft. Die FDP steht ja schließlich – marktradikal und unsozial – für das „freie Spiel der Kräfte“. Deshalb sind für die neue Generalsekretärin der FDP aus Brandenburg, Linda Teuteburg, die mit ihrem Beitrag diesen Tagesordnungspunkt einleitete, die jüngsten Aussagen Kühnerts und die Diskussionen über eine mögliche Enteignung großer Wohnungskonzerne Teufelszeug, bedeuten einen gefährlichen Aufruf zum „Systemwechsel“ und damit eine „ernste Kampfansage an die soziale Marktwirtschaft“. Unternehmertum sei unverzichtbar: „Kollektivierungsträume … sind Gift. Schon das Gerede über Enteignung und staatliche Willkür schafft ein unternehmerfeindliches Klima.“ Man müsse endlich die kalte Progression abbauen, den Soli abschaffen, die Sparerfreibeträge anpassen und keine zusätzliche Grunderwerbsteuer erheben.
Das stieß vor allem bei der Fraktion der Partei „Die Linke“ auf Widerspruch. Ihre Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht erklärte in der Debatte am 8. Mai: „Erst gestern hat das DIW Zahlen veröffentlicht, die eigentlich Anlass für eine Aktuelle Stunde zum Zustand unserer Wirtschaftsverfassung hätten sein sollen. Nach diesen Zahlen ist der Löwenanteil der Einkommenszuwächse seit den 90er-Jahren bei den oberen 10 Prozent der Haushalte angekommen, während die Ärmeren sogar Einkommen verloren haben und sich der Anteil derer, die trotz Arbeit arm sind, in den letzten 20 Jahren mehr als verdoppelt hat. Und da reden Sie von sozialer Marktwirtschaft!“
Kerstin Andreae (Bündnisgrüne) betonte, ein Unbehagen sei da: „das Gefühl, dass hier irgendetwas nicht mehr stimmt, das Gefühl, dass Menschen nicht mehr wissen, ob sie in ihrer Wohnung bleiben können, (…), ob sie von ihrer Arbeit noch leben können, das Gefühl, dass Menschen nicht mehr die Gewissheit haben, dass die Zukunft für ihre Kinder noch lebenswert ist“. Dieses Gefühl sei mit Händen zu greifen und das habe Kühnert mit adressiert. Gegen „Fehlentwicklungen“ – „Internetgiganten mit Datensammelwut, manipulierende Automobilkonzerne, spekulierende Banken, überzogene Rendite bei Immobilien, exorbitante Managergehälter“ – müsse man etwas tun. Doch „Kollektivierung und Verstaatlichung“ seien „keine Antwort“ auf existierende Herausforderungen. Als einzige Lösung bot sie an, dass der Staat aktiv und regulierend eingreifen müsse. Diese Antwort kam auch von den SPD-Abgeordneten, die in der Debatte das Wort ergriffen.
Sabine Poschmann (SPD) stellte klar, dass es für ihre Partei dabei nicht „um Gängelei oder Eingriffe in die unternehmerische Freiheit“ gehe: „Wir wollen einen Staat, der Grenzen setzt, wo der Markt aus dem Ruder läuft, und der Arbeitnehmer vor Ausbeutung schützt.“