Aufklärung und Ideologiekritik

Herbert Becker im Gespräch mit Chefredakteurin Susann Witt-Stahl

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UZ: M&R wird nun, dank der Unterstützung vieler Kulturschaffender, im Winter dieses Jahres wieder erscheinen. Kannst du schon was sagen zu den Themen des ersten „neuen“ Heftes?

Susann Witt-Stahl: Also, zunächst möchte ich ergänzen, dass auch viele Leser und andere Freunde von M&R diesen Erfolg möglich gemacht haben. Wir sind auch noch nicht über dem Berg. Wir brauchen noch einige hundert Abos, um auf einigermaßen soliden Füßen zu stehen. Und eine der größten Hürden: Es muss gelingen, wieder ein neues, qualifiziertes und auch hoch motiviertes Redaktionsteam aufzubauen. Für das erste Heft, das wir nach dem Neustart herausgeben werden, haben wir uns so einiges vorgenommen. Wir werden zum Beispiel ein Manifest für Gegenkultur vorstellen, das wir gemeinsam mit Künstlern und Intellektuellen diskutieren wollen. Außerdem werden wir an ein revolutionäres Tonkunstwerk erinnern, ein Requiem für Che Guevara, dessen Uraufführung vor 50 Jahren von der Polizei auseinandergeknüppelt worden war, weil es der herrschenden Klasse völlig zu Recht den Angstschweiß auf die Stirn getrieben hatte.

UZ: Als M&R im April 2017 im leicht veränderten neuen Gewand und mit dem Untertitel „Magazin für Gegenkultur“ erschien, las ich ein ausführliches Editorial. Hat sich an dieser Ausrichtung und Orientierung etwas geändert?

Susann Witt-Stahl: Im Groben wollen wir an dieser neuen, ja noch gar nicht voll entwickelten Ausrichtung festhalten. Die erheblich gestiegene Resonanz, die M&R als Magazin für Gegenkultur erfährt, zeigt doch mehr als deutlich, dass wir auf dem richtigen Weg sind – den müssen wir nun mit frischen Kräften konsequent weitergehen und ausbauen.

UZ: Ihr habt euch ja viel vorgenommen und sucht zur Zeit eine(n) weiteren Kulturredakteur(in). Die Vorstellungen von Leserinnen und Lesern, was für ein Team dafür nötig ist, sind vielleicht ein wenig übertrieben?

Susann Witt-Stahl: Das Kernteam soll aus zwei Redakteuren plus Chefredakteurin bestehen, die je 24 Wochenstunden, also in Teilzeit, für M&R arbeiten (früher hatten wir ein geringeres Kontingent). Was bleiben wird, wie gehabt: Für die zweiwöchige Produktionsphase kommen jeweils drei kreative Gestalter dazu, für das Cover, Rahmen und Layout, sowie eine Produktionsassistenz. Ein Fotoredakteur der jW steht uns bei der recht aufwändigen Beschaffung des Bildmaterials zur Seite. Positionen, die aktuell neu besetzt werden müssen, sind die beiden Redakteursstellen und die Produktionsassistenz. Interessierte mögen sich bitte umgehend bewerben!

UZ: Das politisch-ideologische Klima im Lande ist nicht nur geprägt von Verluderung der Sprache, sondern auch von dem Versuch, Begriffe und politisches Handeln immer weiter nach rechts ins Reaktionäre, ja rassistisch und faschistisch Bekannte, zu verschieben. Kann das „Magazin für Gegenkultur“ gegensteuern und wenn ja, wie?

Susann Witt-Stahl: M&R kann nicht nur etwas zu einer Gegenoffensive beitragen – ein Medienprojekt, das als „Magazin für Gegenkultur“ antritt, muss etwas gegen diesen immer häufiger auch linke Debatten kontaminierenden Orwellianismus der neoliberalen Ideologie in die Waagschale zu werfen haben. Und zwar mit schonungsloser Aufklärung und gnadenloser Ideologiekritik, die das reaktionäre Wesen von Kampfbegriffen und politischen Thesen bloßstellt, die emanzipativ erscheinen, in Wahrheit aber gegen marxistische Linke, vor allem gegen Kommunisten, in Stellung gebracht werden – beispielsweise wenn Antifaschisten mit den Vorwurf „Verschwörungstheoretiker“ diffamiert werden, sobald sie die Machenschaften des Verfassungsschutzes im Zusammenhang mit dem NSU hinterfragen. Eine vornehme Aufgabe und Pflicht eines marxistischen Kulturmagazins ist es freilich auch, das Bewusstsein für fortschrittliche Kunst zu schärfen, die herrschende Verhältnisse transzendieren kann und damit ein großes ideologiekritisches Potenzial mitbringt. Gute Kunst kontrastiert die falsche kapitalistische Gesellschaft, indem sie über deren Unrecht, Unterdrückung, Kriege und Gewalt eine befriedete, versöhnte, befreite Gesellschaft aufscheinen lässt, die es noch zu erkämpfen gilt. Damit bewahrt sie uns immer wieder vor dem von der Kulturindustrie des Kapitalismus oktroyierten Vergessen der historischen Wahrheit, dass eine andere Welt möglich ist.

UZ: Ihr seid auf dem UZ-Pressefest dabei und werdet hoffentlich viele weitere Interessenten, besser noch Abonnenten gewinnen. Ihr habt ein eigenes Programm in Vorbereitung, kannst du uns zwei, drei Highlights vorstellen?

Susann Witt-Stahl: In diesem Jahr organisieren wir ein Podiumsgespräch mit vier Künstlern aus den Bereichen Musik, Theater, Fotografie und Film über Gegenkultur-Konzepte. Dabei beschäftigen wir uns beispielsweise mit der 1968 formulierten Forderung des Komponisten Hans Werner Henze nach Erschaffung des „größten Kunstwerks der Menschheit: die Weltrevolution“. Außerdem haben wir zwei wunderbare Konzerte von dem Frontmann der Garagenrock-Band Black Heino und der israelisch-deutschen Sängerin Nirit Sommerfeld mit dem Orchester Shlomo Geistreich. Das wird ein großartiges Fest – wir freuen uns schon sehr drauf!

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"Aufklärung und Ideologiekritik", UZ vom 10. August 2018



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