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Elf Jahre nach ihrer ersten Rede vor dem Europäischen Parlament versuchte Bundeskanzlerin Merkel am 13. November mit ihrem Auftritt in Straßburg, Verlässlichkeit und Führung zu zeigen. Eingangs erinnerte sie an die Krise, an zunehmende globale politische, wirtschaftliche und technologische Herausforderungen, an den Klimawandel, an Kriege und bewaffnete Konflikte, an Migrationsbewegungen. Sie entschuldigte sich bei den Abgeordneten aus 28 Staaten indirekt für die deutsche Migrations- und Flüchtlingspolitik. Vor dem Sommer 2015 habe Deutschland die Krise lange Zeit nicht als gesamteuropäisches Problem gesehen.
Merkel forderte in ihrer Rede zugleich, Nationalismus und Egoismus in Europa nie wieder eine Chance zu geben. Sie beschwor sehr allgemein „Freiheit“, mehrfach die „Vielfalt“ und „Einheit“ in der EU, setzte auf „Toleranz“ und „Solidarität“.
Konkreter wurde die Bundeskanzlerin in ihrer etwa 20-minütigen Rede nur im Zusammenhang mit ihren Forderungen zu einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU-Länder. Die „Europäer“, so Merkel, könnten ihre „Interessen überall dort viel besser verteidigen“, wo man gemeinsam auftrete: „Nur geschlossen ist Europa stark genug, um auf der globalen Bühne gehört zu werden … Die Zeiten, in denen wir uns vorbehaltlos auf andere verlassen konnten, sind eben vorbei. Das heißt nichts anderes, als dass wir Europäer unser Schicksal stärker in unsere eigene Hand nehmen müssen, wenn wir als Gemeinschaft überleben wollen.“ Von Abrüstung oder Entspannung, vor allem im Verhältnis zu Russland, sprach sie nicht. Aber davon, dass ein europäischer Sicherheitsrat mit wechselnden, rotierenden Besetzungen der Mitgliedstaaten nötig sei. Zudem müsse eine europäische Eingreiftruppe geschaffen werden, „mit der Europa auch am Ort des Geschehens handeln kann“. Sie beschwor zudem die Vision einer europäischen Armee und folgte damit den jüngsten Vorschlägen des französischen Präsidenten Macron. Aber sie betonte, mit Blick auf die USA und Trump, in diesem Zusammenhang auch: „Das ist ja keine Armee gegen die NATO – ich bitte Sie –, sondern das kann eine gute Ergänzung der NATO sein. Kein Mensch möchte klassische Verbindungen infrage stellen.“ Es gehe um mehr Effizienz und Einheitlichkeit in Bewaffnung, Verwaltung, Betreuung und Ausbildung.
Die Idee einer europäischen Armee ist nicht neu. Vorarbeiten, Verhandlungen und konkrete Maßnahmen gibt es schon seit Jahren. Bereits zu Beginn der 1950er Jahre äußerte der damalige französische Ministerpräsident René Pleven entsprechende Vorstellungen. 1991 forderte Helmut Kohl eine „europäische“ Armee. Fünf Jahre später folgte der französische Premier Alain Juppé. 2005 warb, erinnerte „Die Zeit“ am 17. November, auch Wolfgang Schäuble dafür: „Und im Jahr 2015 war es Merkel selbst, die sich zusammen mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Frank-Walter Steinmeier (damals Außenminister) dafür aussprach, die Sache mal anzugehen. Manche Debatten wiederholen sich.“ „Die Zeit“ machte zudem darauf aufmerksam, dass „die Bereitschaft zur militärischen Kooperation … unter den Nationen Europas nie so ausgeprägt“ war „wie in den vergangenen zehn Jahren. Seit dem Vertrag von Lissabon, der 2009 in Kraft trat, gibt es dafür auch eine rechtliche Grundlage: Artikel 46 für die militärische Zusammenarbeit und Artikel 42 für einen EU-internen Bündnisfall.“ 2016 wurde die Idee einer europäischen Armee wieder aufgegriffen. Mit der Entscheidung des EU-Rats vom März 2018 wurden bisherigen Kooperationen neu geordnet und zukünftige Strukturen geschaffen. Eine „europäische Armee“ ist also keine „Vision“. Und sie wird – wie die NATO – vor allem auch gegen Russland gerichtet sein.