Militärischer Angriff auf den Iran vorerst abgesagt

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben

Von Manfred Ziegler

Trumps Politik, das Ende des Atomabkommens und einseitige Sanktionen gegen den Iran sind nichts Neues. Sanktionen und der Ruf nach Regime-Change bestimmen die Beziehungen zwischen den USA und dem Iran schon lange – parteiübergreifend. Denn der Iran stellt sich als Hindernis und Konkurrenz für die US-Dominanz in der Region dar.

Trumps Beraterstab umfasst alte und neue Hardliner, die den Spruch aus der Zeit des Irakkrieges verinnerlicht haben: „Jeder kann nach Bagdad gehen. Echte Männer gehen nach Teheran.“ Nach dem Abschuss einer US-Spionagedrohne durch die iranische Luftabwehr am 20. Juni war es fast so weit. Die USA trafen alle Vorbereitungen für einen Angriff auf iranische Militäreinrichtungen.

Schiffe fuhren zu ihren Angriffspositionen, Marschflugkörper wurden bereitgemacht – und im Weißen Haus wurde debattiert. Erst in letzter Minute wurde der Angriff abgeblasen. Die offizielle Begründung dafür – Trump habe erfahren, dass in einem Angriff Menschen sterben würden – ist kaum glaubhaft.

Tatsächlich hat die iranische Regierung ein Ziel erreicht: Washington konnte nicht einschätzen, wie die Reaktion auf einen beschränkten US-Angriff aussehen würde. Würde Iran einen Angriff einfach aussitzen – oder würde es militärisch antworten? Möglichkeiten dafür hätte der Iran viele. Das US-Militär konnte darauf keine eindeutige Antwort geben, erklärte ein hochrangiger Teilnehmer an den Diskussionen. Und so bleibt es zunächst bei weiteren nicht unmittelbar militärischen Aktionen.

Die Spionagedrohne, die die Luftabwehr des Iran abschoss, kostet je nach Typ zirka 125 Millionen Dollar. Ihre Tragflächen sind länger als die eines Verkehrsflugzeugs wie der Boeing 737. Tatsächlich nimmt die Drohne am Flugverkehr teil wie jedes andere Flugzeug. Transponder machen sie für andere sichtbar, sie steht im Kontakt mit den zuständigen Fluglotsen – aber nicht immer. Am 20. Juni wurden die Transponder der Global Hawk abgeschaltet, unauffällig sollte sie in den iranischen Luftraum eindringen. Und dass sie über iranischem Hoheitsgebiet abgeschossen wurde, daran besteht kaum ein Zweifel.

Tatsächlich war sogar ein weiteres Flugzeug beteiligt. Neben der unbemannten Global Hawk war ein Spionageflugzeug vom Typ P-8A im selben Gebiet aktiv. Der Iran hatte das nach dem Abschuss der Drohne gemeldet, es wurde später vom US-Militär bestätigt.

Die USA behaupten, die Drohne sei über internationalen Gewässern abgeschossen worden. Doch die Flugdaten, die das Militär veröffentlichte, waren widersprüchlich. Umgekehrt konnte der Iran umgehend Trümmer der Drohne ausstellen, die in iranischen Hoheitsgewässern gefunden wurden. Und die „New York Times“ berichtete am Freitag, dass selbst die US-Regierung unsicher war, ob nicht mindestens eines der beteiligten Flugzeuge iranischen Luftraum verletzt hatte.

So hatte der Iran jedes Recht, die Spionage-Drohne abzuschießen – doch das Weiße Haus plante einen „Vergeltungsangriff“. Die Unwägbarkeit einer iranischen Reaktion brachte den Angriff zum Stoppen, bevor er richtig in Gang kam. Abgesagt ist er damit noch nicht.

Ein Cyber-Angriff auf ein unbedeutendes Ziel mit unbekanntem Erfolg musste zunächst den ausgefallenen Angriff ersetzen. Vorerst verhängt Trump weitere Sanktionen gegen den Iran, die auch die Arbeit des iranischen Außenministers gefährden. Und Bolton drohte schon wieder. Nach einem Treffen mit dem israelischen Ministerpräsidenten in Jerusalem erklärte er: „Der Angriff wurde abgeblasen. Doch diese Entscheidung kann jederzeit revidiert werden.“

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"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben", UZ vom 28. Juni 2019



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