Die Neue Volksfront (Nouveau Front populaire, UZ vom 21. Juni 2024) hat überraschend die von Präsident Emmanuel Macron kurzfristig angesetzte Neuwahl der Nationalversammlung gewonnen. 180 der 577 Sitze des Parlaments gehen an den Zusammenschluss aus La France insoumise (LFi), der sozialdemokratischen PS, Les Écologistes, der Französischen Kommunistischen Partei (PCF) und mehrerer Kleinparteien. Stärkste Partei wurde der faschistische Rassemblement national (RN) mit 126 Sitzen. Zusammen mit verbündeten Parteien kommt RN auf 143 Sitze im Parlament. Das Bündnis um Macrons Partei Renaissance, Ensemble, kommt auf 158 Sitze. Das sind 92 weniger als bei der letzten Wahl 2022. Neun Sitze gehen an die PCF. Deren Nationalsekretär Fabien Roussel wurde nicht wieder ins Parlament gewählt.
Die erwartete Mehrheit für den RN bleibt damit aus, Parteichef Jordan Bardella wird nicht Premierminister.
Die Regierungsbildung dürfte schwierig werden. Keine Fraktion verfügt über die nötige Mehrheit. Koalitionen sind in Frankreich nicht üblich. Eine Minderheitenregierung hätte kaum Gestaltungsspielraum.
Der Gewerkschaftsverband CGT rief Macron in einer Presseerklärung dazu auf, das Wahlergebnis zu respektieren und „zur Bildung einer neuen Regierung aufzurufen, die sich auf das Programm der Neuen Volksfront stützt, die die Wahl gewonnen hat.“ Ähnlich äußerte sich Jean-Luc Mélenchon, der bei den letzten beiden Präsidentschaftswahlen für LFi gegen Macron angetreten war: „Der Wille des Volkes muss von nun an strikt befolgt werden. Der Präsident muss sich beugen und diese Niederlage anerkennen, ohne zu versuchen, sie zu umgehen.“
Die nach Macrons überraschender Ankündigung der Neuwahl flugs gegründete Neue Volksfront hatte sich vor der Wahl nicht auf einen möglichen Premierminister aus ihren Reihen festgelegt. Mélenchon hatte sich selbst ins Spiel gebracht, was in Teilen des Bündnisses zu Kritik geführt hatte. Macron bat Premierminister Gabriel Attal, erstmal im Amt zu bleiben, um „die Stabilität des Landes zu gewährleisten“.
Macron hatte die Neue Volksfront im Wahlkampf mit dem RN gleichgesetzt. Die CGT kritisiert das als „unverantwortlich“. Macron habe damit zur Legitimierung des RN und dessen Ideologie beigetragen.
Beobachter befürchten, das wahrscheinliche Weiter so führe dazu, dass sich der RN bei der Präsidentschaftswahl 2027 als einzige „Alternative“ präsentieren könne und Marine Le Pen die Wahl gewinnen könnte. Ihr Berater Philippe Ollivier tönte, ohne absolute Mehrheit warte man halt drei Jahre: „Dann haben wir 450 Abgeordnete und die Präsidentschaft der Republik.“