Revision abgelehnt: Rüstungslobbyisten müssen ins Gefängnis

Aufgeflogen

„Partnerschaft durch dick und dünn“ titelt die in Fürstenfeldbruck ansässige Rüstungsfirma „Elektroniksystem- und Logistik-GmbH“ (ESG) in ihrer Hochglanzbroschüre. Gemeint ist die jahrzehntelange enge Zusammenarbeit mit der Bundeswehr. Die Angebotspalette reicht von elektronischen Feuerleitsystemen bis zur Elektronik, wie sie in jedem Tornado oder Militärhubschrauber verbaut ist. In der Nähe von Kassel unterhält die ESG das Zentrallager der Bundeswehr (ZEBEL) mit 17.000 Quadratmetern. Auch starke Partnerschaften und exzellente Lobbyarbeit im Umfeld des Verteidigungsausschusses in Berlin schützen zuweilen nicht vor unorthodoxen Geschäftsmethoden. Am 18. Februar hat der Bundesgerichtshof die Revision eines früheren Niederlassungsleiters der ESG und seines Mittelsmanns, des Pressesprechers der in Burbach (Siegerland) beheimateten Rüstungsschmiede „Dynamit Nobel Defence GmbH“, verworfen und die Haftstrafen wegen Geheimnisverrats für rechtens erklärt.

Um welches Geheimnis ging es? Wer sich schon einmal durch die endlosen Zahlenkolonnen des alljährlich aufgestellten Haushaltsplans 14 „Verteidigung“ gequält hat, dem könnte aufgefallen sein, dass wiederholt der Vermerk „Bei einzelnen Titeln sind die Ansätze mit Einwilligung des Deutschen Bundestages in den Geheimen Erläuterungsblättern näher erläutert“ auftaucht. Diese Geheimerläuterungen sind nur einem geringen Teil der Abgeordneten zugänglich, vornehmlich den 32 Mitgliedern des Verteidigungsausschusses. Das etwa 50 Seiten starke Dokument enthält spezifische Angaben zu Waffenprofilen, Bestellmengen und Preisrahmen. Es unterliegt der höchsten Geheimhaltungsstufe.

Im Hauptverfahren gegen die beiden Rüstungslobbyisten vor dem Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf im Juli 2019 klassifizierte ein Sachverständiger für Verschlusssachen das Dokument als eines der „Kronjuwelen“ des Entwurfs zum Verteidigungshaushalt 2017 – ein „Sechser im Lotto mit Zusatzzahl“. Die Spur des Dokuments führte zunächst zum Büro des Heidelberger CDU-Abgeordneten Karl Lamers, Mitglied im Verteidigungsausschuss, der die nummerierte Ablichtung in seinem Safe aufbewahrte, aus dem das „Kronjuwel“ Anfang September 2016 verschwand. Zum Verblüffen des mit den Ermittlungen betrauten Generalbundesanwalts Peter Frank wies Lamers jeden Verdacht mit der Erklärung von sich, er habe das Dokument weder gesehen, noch kenne er den Zugangscode für den eigenen Safe. Die Ermittler ließen ihn in Ruhe.

Stattdessen geriet der damalige Presseattaché von „Dynamit Nobel Defence“, Thomas Meuter, ins Fadenkreuz der Bundesanwaltschaft. Er soll sich das Papier auf unbekannte Weise aus Lamers‘ Büro verschafft und es unter konspirativen Umständen im September 2016 auf einem Koblenzer Parkplatz an seinen langjährigen Freund Eduard K. weitergegeben haben, der es zum Firmensitz der ESG brachte und dort dem Leiter der Defence-Abteilung aushändigte. Anlässlich einer Routinekontrolle des Werksschutzes am 25. November 2016 fiel das offen herumliegende Papier auf. Es folgten verdeckte Ermittlungen, die nach 14 Monaten zur Verhaftung der beiden Lobbyisten führten. Beide kamen indes bald wieder frei, nachdem am 2. Juli 2018 die Richter des 6. Senats des OLG Düsseldorf sich der Eröffnung des Hauptverfahrens verweigerten. Erst nach Intervention der Staatsanwaltschaft erklärte sich der 7. Senat bereit, die Sache zu verhandeln.

Was wie der Plot aus einem schlechten Agententhriller anmutet, ist Ausdruck der Vernetzung von Rüstungsindustrie, deren Lobbyisten und der Regierung. Wer könnte es besser wissen als Thomas Meuter, der nun die Zeit bis zum Haftantritt nutzt, um für sein in Kürze erscheinendes Buch mit dem wahrlich unpassenden Titel „Das Recht zu schweigen“ Vorabinterviews zu geben: „Der Dialog ist permanent und wird auf allen Ebenen dauerhaft geführt, da das wehrtechnische Geschäft ein Deal mit dem Staat und sehr stark politisch geprägt ist“, weiß er über die Lobbyarbeit zu berichten. Schließlich sei nichts dabei, wenn Informationen „ausgetauscht“ werden, denn die „Industrie versucht den Beschaffungsauftrag erfolgreich zu akquirieren, damit technologisches Know-how im eigenen Land verbleiben kann und Arbeitsplätze erhalten bleiben“. Der ESG schließlich hat der illegale Ausrutscher ihrer Lobbyisten nicht geschadet: Die ESG, die mit der Kernkompetenz „Weitblick im Handeln und Vielfalt an Lösungen“ wirbt, steigerte ihren Umsatz in den vergangenen drei Jahren auf aktuell 323 Millionen Euro.

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"Aufgeflogen", UZ vom 3. April 2020



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