Der Bundesparteitag der AfD ist trotz der Proteste von 10.000 Gegendemonstranten glatt über die Bühne gegangen. Alice Weidel wurde einstimmig zur Bundeskanzler-Kandidatin gewählt, nach ihrer Rede von den Delegierten mit stehendem Applaus gefeiert, und auch das Wahlprogramm wurde ohne erkennbare innere Zerwürfnisse verabschiedet. Obendrein gab es eine Zweidrittelmehrheit für die von der Parteispitze betriebene Integration der Jugendorganisation der Partei in die Parteistrukturen selbst, um, wie es in der Begründung durch den Antragsteller Dennis Hohloch hieß, der „Partei im harten Wahlkampf Sicherheit“ zu geben – also die Akteure der bisherigen „Jungen Alternative“ an die Kandare zu nehmen.
Diesem aus der Sicht der „Alternative für Deutschland“ (AfD) idealen Verlauf ihres Wahlparteitages, der den der SPD auch medial in den Schatten stellte, entspricht der Verlauf der Umfragewerte, die sich inzwischen bei stabil über 20 Prozent eingependelt haben – weit über den 10,3 Prozent bei den letzten Wahlen.
Arm in Arm stand Weidel nach ihrer Rede mit dem großen alten braunen Mann der AfD, Alexander Gauland, der den damaligen Stahlhelm-Flügel der CDU aus der Hauptpartei des deutschen Kapitals herausgelöst und zu einer eigenen Partei geformt hatte. Von ihm stammt die strategische Leitlinie, so lange in strikter öffentlicher Systemopposition zur CDU und den anderen etablierten Parteien zu bleiben, bis dieser selbst Partei gewordene Stahlhelm-Flügel mindestens ebenso stark wie die ausgelaugte konservative Mutterpartei sei, um dann – als ihr Senior- oder gleichberechtigter, niemals aber als von ihr abhängiger Juniorpartner – die Leitlinien der Politik in Deutschland zu bestimmen. Er dürfte sich in Sachsen gefreut haben, wie gut diese Saat aufgeht.
Euphorisiert ist diese rechte Kampfreserve des Kapitals durch den jüngsten Durchbruch der „Freiheitlichen Partei Österreichs“ (FPÖ), die – auch hier alten deutschen Traditionslinien folgend – von Beginn an ein alpiner Orientierungspunkt in den Niederungen des deutschen Stammlandes war und ist. In Wien winkt der Bruderpartei inzwischen das Amt des Bundeskanzlers, das Weidel – egal ob schon im Februar oder einige Jahre später – nun auch offiziell anstrebt.
Ein paar Hürden sind davor noch zu nehmen, die Disziplinierung der eigenen Jugendorganisation war eine davon. Die Haupthürde ergibt sich aus dem Hauptwiderspruch dieser Partei. Er besteht darin, dem Kapital dienen zu wollen und dafür all jene um sich zu sammeln, die unter diesem System leiden und es daher ablehnen oder gar bekämpfen.
Deutschland ist zum dritten Mal in den letzten 120 Jahren auf Kriegskurs gegen Russland. Daher muss diese Partei, um in die Regierungszentrale gelassen zu werden, ihre gegenwärtigen programmatischen Aussagen in dieser Frage schleifen. Noch gibt sie sich als Friedenspartei, in deren Wahlprogramm die Forderung nach einem „interessengeleiteten Verhältnis mit den großen Mächten der Welt, mit China und den USA, genauso wie mit der Russischen Föderation“ steht. Auf ihrer Website ist weiterhin zu lesen: „Eine Entspannung im Verhältnis zu Russland ist für die AfD Voraussetzung für einen dauerhaften Frieden in Europa. Es liegt im deutschen Interesse, Russland in eine sicherheitspolitische Gesamtstruktur einzubinden, ohne eigene Interessen und die unserer Bündnispartner außer Acht zu lassen.“
Das dient dem Stimmenfang und wird nicht so bleiben. Mit den Forderungen nach massiver Aufrüstung – Alice Weidel befürwortete im Interview mit dem „heute journal“ vor Kurzem auch jährliche Rüstungsausgaben von mehr als 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – hat die Partei den Grundstein für einen schnellen Kurswechsel bereits gelegt. Eine große Mehrheit der Delegierten in Riesa stimmte außerdem für die Einführung einer Wehrpflicht.