Auf Visite in Paris

Beate Landefeld zu Sigmar Gabriel, der den französischen Gewerkschaftern in den Rücken fällt und China attackiert

Beate Landefeld ist Redakteurin der Marxistischen Blätter

Beate Landefeld ist Redakteurin der Marxistischen Blätter

Ende August weilte Sigmar Gabriel zu deutsch-französischen Regierungsgesprächen bei Emmanuel Macron. Es war der Tag, an dem der französische Präsident sein lange angekündigtes Arbeitsgesetz, bei dem es sich um die französische Variante der deutschen Hartz-IV-Gesetze handelt, den Vertretern französischer Gewerkschaften erläuterte. Gabriel begrüßte das Gesetz. Schließlich soll es die Deregulierung und Prekarisierung nun auch in Frankreich in Fahrt bringen. Die Berliner Regierung fordert das seit Langem. Für die deutsche Presse und den Wahlkampf stellte Gabriel Macrons Absicht ins Zentrum, eine Reform der Arbeitnehmerentsenderichtlinie der EU zu initiieren, um in den reichen EU-Ländern ausländisches Lohndumping zu erschweren. Gabriels Fähigkeit, Dreck als Gold erscheinen lassen, ist bekannt, seit er es hinbekam, das Freihandelsabkommen CETA der SPD-Bundestagsfraktion als Fortschritt zu verkaufen. Nun wird er ein Arbeitsgesetz, das 68 Prozent der Franzosen als Angriff auf die Rechte der Lohnabhängigen sehen, in Deutschland als „sozial“ hinstellen.

Gabriel hielt an diesem Tag auch eine Rede vor den französischen Botschaftern, die ein Treffen in Paris hatten. Er nutzte die Gelegenheit zu einem Appell an die Europäer, gegen China zusammenzuhalten. „Wenn es uns nicht gelingt, eine eigene Strategie mit Blick auf China zu entwickeln,“ soll er laut Handelsblatt 30. August gewarnt haben, „dann wird es China gelingen, Europa zu spalten.“ Griechenland habe sich schon geweigert, China in einer Seerechtsfrage zu verurteilen. Gabriel nahm speziell die Gruppe 16+1 aufs Korn, die es seit 2012 gibt. Sie besteht aus 11 EU-Ländern, darunter den Visegrad-Ländern, aus 5 Ländern, die der EU (noch) nicht angehören, plus China. Die Gruppe, höhnte Gabriel vor den Botschaftern, werde in Europa 16+1 genannt. 1+16 sei wohl realistischer. Hinter dem Projekt „Neue Seidenstraße“ stecke eine große geopolitische, kulturelle, ökonomische und am Ende auch militärische Strategie, der die Europäer bisher nichts entgegen zu setzen hätten. China aber werde die EU und deren Mitgliedstaaten am Ende nur ernst nehmen, wenn es eine Strategie gebe. So wie China von „uns Europäern“ eine Ein-China-Politik fordere, müssten die Europäer von China eine Ein-Europa-Politik fordern.

Eine Woche zuvor war im Handelsblatt zu lesen: „Berlin macht Druck in Brüssel. Zypries will EU-Schutzwall gegen China-Übernahmen.“ (23.8.) Auf nationaler Ebene verschärfte die Bundesregierung Mitte Juli ihre Vetorechte gegen ausländische Übernahmen. Galten sie bisher hauptsächlich für Rüstungs- und sicherheitsrelevante Firmen, so kann Berlin künftig auch Übernahmen blockieren, durch die „wichtiges Know-How ins Ausland verloren ginge“. Wenn Gabriel vor den französischen Botschaftern die „chinesische Gefahr“ beschwor, dann wohl auch, um für den angestrebten „EU-Schutzwall“ zu werben. Doch sein Vorwurf, China wolle mit dem Seidenstraßenprojekt die EU spalten, ist absurd.

Die Fragmentierung der EU in ein Kerneuropa und eine ärmere östliche Peripherie entstand im Ergebnis der schnellen, gegen Russland gerichteten Ostexpansion von EU und NATO. Die abgehängte südliche Peripherie ist ein Resultat der deutschen „Wettbewerbsfähigkeit“ mit beständigen Exportüberschüssen und nicht zuletzt der Austeritätsdiktate Berlins als Ausweg aus der Krise. Das Seidenstraßenprojekt bietet dagegen der Peripherie Chancen, aufzuholen und die Ungleichheit in der EU ein wenig abzubauen. Ist das ein Problem für Gabriel? Worum es in Wirklichkeit geht, ist, dass Brüssel und Berlin die Kooperation zwischen Europa und China im Interesse der großen Monopole zentral kontrollieren möchten. Kapitalistische Globalisierung existiert eben nur als Einheit von Kooperation und Konkurrenz. Gleichberechtigung, Wirtschaftssouveränität, friedliche Entwicklung passen nicht dazu.

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"Auf Visite in Paris", UZ vom 8. September 2017



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