Ampel will Klimaschutz, solange es dem Finanzkapital nützt

Auf unsere Kosten

Manfred Groll

Die Ampelkoalition verkündet im 3. Kapitel ihres Vertrags, „die Weichen auf eine sozial-ökologische Marktwirtschaft“ zu stellen und „ein Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen“ einzuleiten. Um im Rahmen des 1,5-Grad-Pfades (Pariser Klimaabkommen) bis 2045 Klimaneutralität zu erzielen, sollen 80 Prozent des Strombedarfs bis 2030 aus erneuerbaren Energien stammen und die BRD soll zum Leitmarkt für Wasserstofftechnologien und Elektromobilität werden. Der Kohleausstieg soll bereits 2030 abgeschlossen sein. Der Atomausstieg bleibt bestehen.

Die benötigten riesigen Geldmittel werden teilweise durch den Staat, vor allem aber durch zu aktivierende Privatinvestoren aufgebracht. Das eröffnet für das Finanzkapital dringend benötigte neue Profitfelder. Öffentliche Mittel sind knapp: keine zusätzlichen Steuereinnahmen (da keine Steuererhöhungen), erhöhte Ausgaben für das klima- und umweltschädliche Militär, ab 2023 wieder Schuldenbremse. Weitere Einsparungen auf Kosten der Bevölkerungsmehrheit (Reduzierung staatlicher Grunddienstleistungen) und Privatisierungen sind zu erwarten.

Die Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft wird zwar im Umweltbereich Verbesserungen bewirken, aber trotz aller wohltönenden Phrasen wird immer wieder deutlich, dass die Interessen des Finanzkapitals prioritär sind. Glyphosat soll bis 2023 vom Markt genommen und generell der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln beschränkt werden, aber eben nur auf das „notwendige Maß“. Ein kleines Element im Naturschutz, aber entlarvend: Bei der Unterstützung des Naturschutzprojekts European Green Belt (Grenzstreifen entlang des ehemaligen Eisernen Vorhangs) sind „Erinnerungskultur und begangenes SED-Unrecht“ zu berücksichtigen.

Im Zusammenhang mit den Weltmachtambitionen der BRD schlägt die imperialistische – gegen Russland und China gerichtete – Politik durch. Zur Sicherung einer „nachhaltigen“ Rohstoffversorgung soll das von der EU vorgeschlagene Importverbot von Produkten aus Zwangsarbeit unterstützt werden. Das wird es den Menschenrechtsbellizisten der Grünen erleichtern, China wegen angeblicher Zwangsarbeit in Xinjiang zu sanktionieren. Auch die Aussagen zum „regelbasierten“ Freihandel, zu „unfairen“ Handelspraktiken sind geeignet, die vom „Werte“-Westen diktierten Regeln für soziale, ökologische und menschenrechtliche Standards als Waffe gegen Systemgegner einzusetzen. Es wird versucht, China trotz seiner geradezu vorbildlichen Klimapolitik zum Klimasünder zu stempeln.

Das europäische Wettbewerbsrecht und die Stärke des europäischen Binnenmarktes sollen speziell mit Blick auf „unfaire Wettbewerbspraktiken autoritärer Regime“ genutzt werden. Auch die angestrebte intensive Zusammenarbeit mit den USA, um den „multilateralen Handel, die Reform der WTO, die Etablierung von ökologischen und sozialen Standards, den Wohlstand sowie die Dynamik eines nachhaltigen Welthandels voranzutreiben“, dient eher zur stärkeren Ausbeutung von Entwicklungsländern als zu deren Wohlfahrtsmehrung. Insbesondere soll das Mercosur-Abkommen erst ratifiziert werden, wenn rechtlich verbindliche Verpflichtungen zum Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsschutz und praktisch durchsetzbare Vereinbarungen zum Waldschutz eingegangen werden. Die Ratifizierung des EU-China-Investitionsabkommens im EU-Rat, von Merkel noch kurz vor ihrem Abgang forciert, liegt aus „verschiedenen“ (nicht genannten) Gründen auf Eis.

In den ersten sechs Monaten von 2022 soll eine „Allianz für Transformation“ aus Wirtschaft, Gewerkschaften und Verbänden „stabile und verlässliche Rahmenbedingungen für die Transformation besprechen“, also den Worthülsen des Vertrags Substanz verleihen. Dann wird es ernst. Es ist zu befürchten, dass die Gewerkschaften als potentiell starke Kraft, aber auch viele Verbände keinen ausreichenden Widerstand gegen die Forderungen der Kapitalseite aufbringen werden.

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"Auf unsere Kosten", UZ vom 10. Dezember 2021



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