Frankreich zieht sein Militär aus Niger ab

Sinneswandel in Paris

Bis Jahresende zieht Frankreich seine 1.500 in Niger stationierten Soldaten ab. Das hat Präsident Emmanuel Macron am Sonntagabend in einem Fernsehinterview auf France 2 und TF1 angekündigt. Auch Botschafter Sylvain Itté, dessen Akkreditierung die Übergangsregierung von General Abdourahamane Tiani am 25. August widerrufen hatte, soll Niger verlassen, und sein Personal mit ihm.

Die Regierung Tianis feierte die Ankündigung in einer im nationalen Fernsehen verlesenen Erklärung als „eine neue Etappe in Richtung Souveränität Nigers“. Der Abzug sei „ein historischer Moment, der von der Entschlossenheit und dem Willen des nigrischen Volkes zeugt“. Jeder Mensch, jede Institution oder Struktur, deren Präsenz die Interessen und Wünsche ihres Landes bedrohe, habe das Land ihrer Vorfahren zu verlassen.

Immer wieder hatten Menschen in Niger auf großen Demonstrationen zum Ausdruck gebracht, dass französische Truppen bei ihnen nicht mehr willkommen sind.

Am 3. August hatte die nigrische Übergangsregierung fünf Militärabkommen mit Frankreich gekündigt (siehe UZ-Blog vom 7. August 2023). Darunter waren auch die Vereinbarungen, auf deren Basis französische Soldaten in Niger stationiert werden durften. Frankreichs Regierung hatte die Kündigung ignoriert mit der Begründung, nur die „demokratisch legitimierte“ Regierung des gestürzten Präsidenten Mohamed Bazoum habe das Recht, Verträge zu kündigen. Die Abkommen hatten französische Regierungen einst mit Putschregierungen in Niger geschlossen.

Seit dem 27. August gilt Sylvain Itté in Niger als Persona non grata. Zwei Tage vorher hatte die Militärregierung den Botschafter Frankreichs in Niger aufgefordert, das Land binnen 48 Stunden zu verlassen. Itté hatte sich geweigert, einer Einbestellung der nigrischen Regierung Folge zu leisten. Nach Ablauf des Ultimatums verschanzte er sich in der Botschaft in Niamey. Medienberichten zufolge musste er sich zuletzt von militärischen Notfallrationen ernähren, und das Trinkwasser wurde knapp. Auch die Versorgung der französischen Truppen soll zuletzt immer schwerer geworden sein, was zu Unmut in den Kasernen geführt haben soll.

Mit Macrons Ankündigung endet ein fast zweimonatiges Kräftemessen mit Nigers Übergangsregierung. „Wir beenden unsere militärische Kooperation mit der faktischen Regierung Nigers, weil die nicht mehr gegen den Terrorismus kämpfen will“, behauptete Macron. Das ist gleich doppelt gelogen: Zum einen hatte ja eben diese „faktische Regierung“ die „Kooperation“ gekündigt, zum anderen hatte Tiani seinen Putsch mit der sich beständig verschlechternden Sicherheitslage begründet. Seit dem Beginn der französischen Militärinterventionen im Sahel 2013 hat sich das Ausmaß des islamistischen Terrors dort verfünffacht.

Der Abzug Frankreichs macht eine militärische ECOWAS-Intervention in Niger unwahrscheinlicher. Immer wieder hatte es aus Paris geheißen, man würde eine solche Intervention unterstützen. Die Gründung der Allianz der Sahel-Staaten (UZ vom 22. September 2023), die Ankündigung der algerischen Regierung, Frankreich keine Überflugrechte für einen Militäreinsatz in Niger zu gewähren und die faktische Anerkennung der Putschregierung durch die USA dürften den Sinneswandel im Élysée-Palast forciert haben. Für Tiani und seine Amtskollegen Assimi Goïta in Mali und Ibrahim Traoré in Burkina Faso ist das ein großer Erfolg.

Dennoch steht zu befürchten, dass die alte Kolonialmacht ihre ökonomischen Interessen im Sahel nicht einfach aufgegeben hat. In Paris dürfte man jetzt auf alte Verbündete setzen: Die Touareg-Sezessionisten, die in Mali seit kurzem wieder zu den Waffen greifen – und die Dschihadisten, die man zehn Jahre lang so „erfolgreich bekämpft“ hat.

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"Sinneswandel in Paris", UZ vom 29. September 2023



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