Natürlich sind sie auch beim diesjährigen Petersburger Dialog ein Thema gewesen: die möglichen US-Sanktionen gegen Nord Stream 2. „Außerordentlich sinnvoll“ sei die Erdgaspipeline, ließ sich Außenminister Heiko Maas am Rande des Treffens zitieren, zu dem rund 300 Deutsche und Russen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und anderen sozialen Bereichen zusammengekommen waren und das von Teilnehmern als durchaus kooperativ beschrieben wurde, ganz anders als in den Jahren zuvor. Kein Zweifel: Die Bundesregierung ist weiterhin entschlossen, die Röhre, die strategische Bedeutung für die deutsche Energiepolitik besitzt, gegen alle Widerstände aus Washington durchzusetzen. Nachgeben ist für sie in diesem Fall keine Option.
In Sachen Russland-Sanktionen hat es im Jahr 2017 einen harten Bruch gegeben. Die Maßnahmen, die EU und USA ab 2014 verhängten und jeweils verlängerten, waren im Wesentlichen abgestimmt gewesen. Sie schmerzten die transatlantischen Verbündeten gleichermaßen: Während es in der Bundesrepublik vor allem den Maschinenbau hart traf, musste ExxonMobil ein milliardenschweres Pionierprojekt in der russischen Arktis abblasen. Die für Deutschland strategisch so wichtige Erdgasbranche blieb ausgespart. Von dem gemeinsamen Vorgehen ist Washington 2017 abgerückt – mit einseitig beschlossenen Sanktionsgesetzen. Damit haben die Vereinigten Staaten nicht nur die Abstimmung mit ihren transatlantischen Verbündeten aufgegeben. Sie sind noch einen Schritt weiter gegangen und haben die Maßnahmen als extraterritoriale Sanktionen konzipiert, die – ganz wie die Iran-Sanktionen – faktisch für alle Unternehmen mit US-Geschäft gelten, also auch für zahllose Firmen in der EU.
Damit hat Washington partiell die Geschäftsgrundlage verändert, denn den Rhythmus und die Intensität des Wirtschaftskriegs gegen Russland bestimmt es jetzt allein. Das gilt nicht für die vor 2017 noch transatlantisch abgestimmten Sanktionen, die Berlin und die EU denn auch fortsetzen, um Russland wegen seiner missliebigen Außenpolitik zu disziplinieren. Es gilt zum Beispiel aber für die Maßnahmen, die die Trump-Regierung am 6. April 2018 gegen den Putin-nahen Oligarchen Oleg Deripaska verhängte. Deripaska kontrollierte damals etwa den Aluminiumriesen Rusal. Die Sanktionen gegen ihn trafen Russland hart.
Die Maßnahmen gegen Deripaska zeigen zugleich, dass Washington mit seinen extraterritorialen Sanktionen nicht nur Russland, sondern auch dessen Wirtschaftspartner hart trifft – darunter nicht zuletzt deutsche Unternehmen, für die die Kooperation mit Rusal erhebliche Bedeutung besitzt. Die Rusal-Sanktionen führten letzten Endes sogar zu Erschütterungen auf dem Aluminium-Weltmarkt, die auch der US-Wirtschaft zu schaden drohten; Washington ließ sich deshalb auf einen Deal mit Deripaska zwecks Beendigung des Boykotts gegen Rusal ein. Anders verhält es sich etwa beim Autohersteller GAZ, der ebenfalls zum Deripaska-Imperium gehört. Deutsche Kfz-Konzerne haben eine halbe Milliarde Euro bei GAZ investiert; die US-Industrie hingegen ist mit dem Unternehmen nicht verknüpft. Ein Ende der Sanktionen ist also nicht in Sicht; und wenn GAZ, was zu befürchten steht, Pleite geht, dann haben Daimler und Volkswagen dank Washington rund 500 Millionen Euro in den Sand gesetzt.
GAZ ist nur ein Beispiel. Der Ost-Ausschuss – Osteuropaverein der Deutschen Wirtschaft beziffert die Verluste, die deutschen Unternehmen durch Washingtons extraterritoriale Russland-Sanktionen schon jetzt entstanden sind, auf mehrere Milliarden Euro; dabei droht die Trump-Regierung, siehe etwa Nord Stream 2, mit weiteren einseitig verhängten Sanktionen. Damit steht das deutsche Kapital nicht nur vor stets neuen Milliardenverlusten ganz nach dem Gusto der Herren in der US-Hauptstadt, sondern letztlich auch vor dem Verlust seiner außenpolitischen Eigenständigkeit. Damit geht‘s ans Eingemachte und entsprechend werden in Berlin bereits Gegenmaßnahmen diskutiert. Der erste Showdown könnte bald bevorstehen: Nord Stream 2 wird, kommt es nicht zu neuen Interventionen aus den USA, im kommenden Jahr fertiggestellt.