Polen: Es geht nicht ums Verfassungsgericht

Auf die sichere Seite

Von Anton Latzo

Die Proteste und Demonstrationen in Polen sind zu einem ständigen Bestandteil der Nachrichtenprogramme geworden. Die Mainstream-Medien stellen die polnische Regierung an den Pranger, die nach den Parlamentswahlen vom 25. Oktober 2015 von der Partei Freiheit und Gerechtigkeit (PiS) gebildet wurde.

Für die Mehrheit der polnischen Bevölkerung sind die Kämpfe innerhalb der Eliten undurchsichtig. Das drückt sich in einem zunehmenden Gefühl der Unsicherheit und Unzufriedenheit aus. Die Demonstrationen in Polen haben noch einen heterogenen und konfusen Charakter – und zeigen damit, wie stark die Menschen noch manipuliert werden können.

Denn tatsächlich geht es bei den Auseinandersetzungen in Polen nicht um das Verfassungsgericht oder um demokratische Medien. Es geht um einen Richtungskampf um die Frage, wie die Institutionen des bürgerlichen Staates funktionsfähig gehalten werden können – und darum, an der Seite welcher imperialistischen Großmacht das am sichersten geschehen kann.

Das steckt auch hinter der Kampagne in den deutschen Medien und in der deutschen Politik, die in Zusammenhang mit dem Regierungswechsel in Polen eingeleitet wurde. Die hiesige Presse unterstützt die polnische Partei, mit der Deutschland seine eigenen Ziele gegenüber Polen, Osteuropa und Russland anscheinend am besten durchsetzen kann. Das ist gegenwärtig die durch die Wahlen in die Opposition versetzte „Bürgerplattform“, deren Vorsitzender (bis 2014) der ehemalige polnische Ministerpräsident und jetzige Präsident des EU-Rates, Donald Tusk, war. Aber der US-Imperialismus verfolgt andere Interessen: Er glaubt, seine Ziele gegenüber Deutschland, der EU und gegenüber dem „neuen“ Europa sowie gegen Russland mit der PiS am besten durchsetzen zu können.

Aus Sicht der USA wird Polen wählen müssen, auf welche Seite es sich im Kampf der Großmächte stellt: Auf die Seite Deutschlands und Frankreichs oder auf die Seite der USA. George Friedman, Direktor der US-Denkfabrik STRATFOR, prognostiziert in seinem Buch „Das 21. Jahrhundert“: Polen werde die Hilfe der Nation in Anspruch nehmen, „der es zweimal im 20. Jahrhundert sein Überleben verdankte: den USA. Mit den USA im Rücken wird Polen die Führung eines osteuropäischen Bündnisses übernehmen und dadurch in Zukunft gemeinsame osteuropäische Interessen in Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten durchsetzen können. Polen wird seine Rolle als Mittelmacht, politisch wie geographisch, überwinden können und sich aus dem Schatten Russlands und Deutschlands lösen.“

Polen wird so immer mehr eines der Felder, auf dem die imperialistischen Widersprüche ausgetragen werden. Die Großmächte instrumentalisieren die innenpolitischen Kämpfe in Polen in ihrem Sinne. Der Eroberungszug des Imperialismus in Osteuropa war zunächst relativ ruhig verlaufen. Nun beginnt eine Auflösung der wirtschaftlichen und politischen Strukturen, die Kapitalismus in Osteuropa in den vergangenen 25 Jahren relativ ruhig möglich gemacht haben – und damit der Kampf, um die Macht des in- und ausländischen Kapitals zu sichern.

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"Auf die sichere Seite", UZ vom 29. Januar 2016



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