Arbeitszeitverkürzung ist eine der Kernforderungen der EVG in der Tarifrunde bei DB AG

Auf der Agenda ganz oben

Von Rainer Perschewski

Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hat ihre Vorbereitungen zur Tarifrunde 2018 bei der DB AG abgeschlossen. Schon mit Jahresbeginn startete die EVG einen umfangreichen Diskussionsprozess für die Forderungen der diesjährigen Tarifrunde. Auf regionalen Beratungen der EVG-Betriebsgruppen, Zukunftswerkstätten mit mehr als 600 Teilnehmern, einer Sommertour mit Fest und Diskussion des Geschäftsführenden Vorstandes der EVG in allen EVG-Regionen, einer Mitgliederbefragung und einer offenen Sitzung der Tarifkommission wurden die Forderungen intensiv diskutiert und schließlich beschlossen. Begleitet wurden die Diskussionen mit einer betrieblichen Kampagne um die Forderungsdiskussion. Im Sommer wurden parallel Streikschulungen durchgeführt.

Das Ergebnis zeigt einmal mehr, dass Arbeitszeitverkürzungen und flexible Arbeitszeitplanungen auf der Agenda der Beschäftigten ganz oben stehen. Die EVG geht mit drei Kernforderungen in die Verhandlungen: 1. Mehr vom Wahlmodell – Wahl zwischen Wochenarbeitszeitverkürzung oder mehr Urlaubstage, 2. Mehr in der arbeitgeberfinanzierten Altersvorsorge, 3. Das Langzeitkonto soll ein flexibles und selbstbestimmtes Zeitguthabenkonto werden, so dass hier auch längere und kürzere Auszeiten genommen werden können. Die Entgeltforderung lautet für alle Beschäftigten 7,5 Prozent und enthält noch über 30 weitere Forderungen, die in den Tarifverhandlungen eingebracht werden sollen.

Angetrieben wurden die Diskussionen um Arbeitszeitverkürzung in Form eines Wahlmodells durch den Erfolg in der letzten Tarifrunde. Sollte die EVG sich jetzt durchsetzen, könnte die Wochenarbeitszeit der Beschäftigten wahlweise um eine weitere Stunde oder die Jahresarbeitszeit um weitere sechs Tage Urlaub verkürzt werden. In den Diskussionen war den EVG-Mitgliedern wichtig, dass dies die richtige Antwort auf die Arbeitsverdichtung ist. Erstaunt zeigte sich die stellvertretende Vorsitzende und Verhandlungsführerin der EVG, Regina Rusch-Ziemba, über das Votum zur betrieblichen Altersvorsorge bei den jüngeren Mitgliedern. Entgegen der Erwartungen haben mehr als dreiviertel der Mitglieder für eine deutliche Erhöhung der arbeitgeberfinanzierten Altersvorsorge votiert. Auch ein Mindestbetrag findet sich in den Forderungen der EVG wieder: Auszubildende sollen einen Aufschlag von 150 Euro auf die Ausbildungsvergütung erhalten. Damit soll die Attraktivität der Ausbildung bei der Bahn angehoben und vor allem für die Dienstleistungsbereiche ein deutliches Plus durchgesetzt werden.

Die Erfahrungen aus der letzten Tarifrunde bestätigen die Tarifpolitik der EVG. So musste die DB AG ihre Personalplanung deutlich nach oben korrigieren. In der Umsetzung haben fast 70 Prozent der Beschäftigten mehr Urlaub als Form der Arbeitszeitverkürzung gewählt und insbesondere für niedrigere Lohngruppen hatte diese Form eine überdurchschnittliche Attraktivität. Die Tarifergebnisse der EVG haben aber deutlich weitreichendere Wirkungen gehabt. Nicht nur, dass die EVG ihr Modell inzwischen in dutzenden weiteren Verkehrsbetrieben umsetzen konnte, auch in anderen Mitgliedsgewerkschaften des DGB machten deutlich, dass es der EVG gelungen ist, Arbeitszeitverkürzung in der gesellschaftlichen Diskussion wieder auf die Tagesordnung zu setzen.

Die Durchsetzung der Forderungen dürfte dieses Mal allerdings schwieriger werden. Die sofortige ablehnende Haltung des Konzernvorstandes zu weiteren Arbeitszeitverkürzungen und der kürzlich veröffentlichte „Brandbrief“ des Vorstandes wegen sinkender Rendite (siehe UZ vom 21. September) verschärfen die Rahmenbedingungen für diese Tarifrunde. Aber auch hier geht die EVG neue Wege. Die Vorbereitung der Tarifauseinandersetzung läuft auf Hochtouren. Mit „regionalen Aktionsteams“ werden kreative und entschlossene Kolleginnen und Kollegen zusammengebracht, die die Tarifrunde vor Ort begleiten sollen. Diese Teams sind offene Kreise, da man mit den Interessierten arbeiten wolle.

Die EVG stellt diese Tarifrunde unter das Motto „Mehr für Alle!“ und das aus gutem Grund: Während es dem Unternehmen in der vorletzten Tarifrunde gelang, unterschiedliche Laufzeiten in den Unternehmen durchzusetzen, hat die EVG dieses nach interner Kritik als Fehler angesehen. Durchsetzungsstarke und -schwache Bereiche sollen gleichermaßen von den Forderungen profitieren – eine Rückbesinnung auf den Solidaritätsgedanken der Gewerkschaftsbewegung.

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"Auf der Agenda ganz oben", UZ vom 5. Oktober 2018



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