Der Einfluss deutscher Waffenhersteller wächst

Auf dem Weg zurück an die Weltspitze

Die große Mehrheit der immer mehr anschwellenden weltweiten Militärausgaben wird von den westlichen Staaten getätigt. Dies geht aus einer am Montag publizierten Studie des Stockholmer Forschungsinstituts SIPRI hervor. Demnach gingen im Jahr 2023 rund 37 Prozent der globalen Militärausgaben von 2,443 Billionen US-Dollar – 916 Milliarden US-Dollar – allein auf die USA zurück. Die NATO-Mitglieder kamen zusammengenommen laut SIPRI-Berechnungen auf 1,341 Billionen US-Dollar – gut 55 Prozent aller Militärausgaben weltweit. Europa wiederum wandte 24 Prozent aller Mittel auf, die im vergangenen Jahr auf dem gesamten Globus in die jeweiligen nationalen Streitkräfte investiert wurden. Allein West- und Mitteleuropa steckten 407 Milliarden US-Dollar ins Militär – ein gutes Drittel mehr als etwa die Volksrepublik China, deren Militärausgaben SIPRI unter Einschluss von Mitteln abseits des offiziellen Streitkräfteetats für 2023 auf gut 296 Milliarden US-Dollar beziffert.

Deutschland steht in der SIPRI-Rangliste der Ausgaben mit rund 66,8 Milliarden US-Dollar auf Platz sieben – mehr als Frankreich (61,3 Milliarden US-Dollar). Dabei steigen sie künftig weiter. Laut Angaben des Bundesverteidigungsministeriums kommen in diesem Jahr zum offiziellen Militärhaushalt von 51,9 Milliarden Euro noch 19,8 Milliarden Euro aus dem sogenannten Sondervermögen hinzu, das nach Auffassung des Bundesrechnungshofs „Sonderschulden“ genannt werden muss. Damit erreichen die deutschen Militärausgaben dieses Jahr offiziell 71,7 Milliarden Euro, wobei dies noch nicht den tatsächlichen Militärausgaben entspricht: Der Betrag, den Berlin jedes Jahr an die NATO meldet, bezieht Ausgaben jenseits des Militärbudgets ein und liegt deshalb regelmäßig über dem offiziellen Militärhaushalt. Allein dieser beläuft sich in diesem Jahr laut derzeitigem Wechselkurs auf 76,4 Milliarden US-Dollar; damit käme Deutschland auf der aktuellen Weltrangliste vor Saudi-Arabien auf Platz fünf.

Die massive Aufrüstung, die dazu erforderlich ist und ausweislich der SIPRI-Zahlen auch entschlossen vorangetrieben wird, hat freilich Auswirkungen auch im Innern der westlichen Staaten. In der Bundesrepublik etwa gehörte die Rüstungsindustrie jahrzehntelang nicht zu den Sektoren mit einer herausragenden Stellung in der nationalen Wirtschaft. Das beginnt sich mittlerweile zu ändern. Im März vergangenen Jahres zog mit Rheinmetall ein erster Rüstungskonzern in den Leitindex DAX ein – ein Symbol für den wachsenden Einfluss der deutschen Waffenhersteller. Rheinmetall konnte seinen Umsatz im Jahr 2023 auf 7,2 Milliarden Euro steigern und geht davon aus, bis 2026 einen Umsatz von bereits 13 bis 14 Milliarden Euro erreichen zu können. Das ist immer noch Lichtjahre von Spitzenkonzernen wie Volkswagen mit einem Jahresumsatz von zuletzt 322 Milliarden Euro entfernt, nähert sich aber perspektivisch der ersten Liga der deutschen Industrie an. Schrittweise wächst mit dem ökonomischen auch das politische Gewicht der deutschen Rüstungsindustrie.

So vollzog Rheinmetall am 24. Oktober vergangenen Jahres in Anwesenheit von Bundeskanzler Olaf Scholz gemeinsam mit Ukroboronprom/Ukrainian Defense Industries (UDI) die Gründung des Joint Ventures Rheinmetall Ukrainian Defense Industry LLC. Erst kürzlich bestätigte ein Unternehmenssprecher, seitdem sei das Unternehmen „operativ tätig“. Bei Rheinmetall Ukrainian Defense Industry gehe es zunächst um die Reparatur gepanzerter Fahrzeuge, die jetzt in der Ukraine durchgeführt werden soll, um den weiten, zeit- und kostenintensiven Transport zu Werkstätten in Nachbarstaaten wie Polen oder der Slowakei zu vermeiden. Anschließend soll dann die Produktion aufgenommen werden.

Rheinmetall-Chef Armin Papperger erklärte kürzlich, ab Spätsommer 2024 werde man den Transportpanzer Fuchs aus in Deutschland hergestellten Einzelteilen in einer Fabrik in der Ukraine montieren können, im Sommer 2025 werde das mit dem Schützenpanzer Lynx möglich sein. Langfristig ist auch die Fertigung des Kampfpanzers Panther in der Ukraine geplant. Zudem will das Unternehmen jährlich eine sechsstellige Zahl an Artilleriegeschossen vom Kaliber 155 in der Ukraine produzieren. Bislang ist der Bau von vier Fabriken in dem Land geplant.

Einen ähnlichen Weg wie Rheinmetall geht der deutsche Panzerbauer Krauss-Maffei Wegmann beziehungsweise dessen Gemeinschaftsunternehmen mit der französischen Waffenschmiede Nexter, KNDS. Mitte November 2022 hatte KNDS zunächst mitgeteilt, man baue in der Slowakei eine Logistikbasis auf, um dort Ersatzteile bereitzustellen sowie beschädigte Panzer zu reparieren. Im März hieß es dann, man werde einen Ableger in der Ukraine gründen; dort sollten zunächst Ersatzteile, später dann Munition sowie langfristig auch komplette Waffensysteme hergestellt werden. Der Münchener Drohnenhersteller Quantum Systems, der nach der Lieferung zahlreicher Aufklärungsdrohnen ebenfalls zunächst einen Standort zur Reparatur und zur Ausbildung an seinen Drohnen in der Ukraine eröffnet hatte, hat am Donnerstag vergangener Woche im Beisein von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck eine Fabrik in Betrieb genommen, die bis Ende 2024 annähernd 100 Mitarbeiter beschäftigen und perspektivisch bis zu 1.000 Drohnen pro Jahr herstellen soll. Der Drohnenabwehr wiederum dient eine Kooperation von MBDA Deutschland und UDI, auf die sich beide Seiten bereits im Februar geeinigt haben. Die Beispiele zeigen, dass sich die deutsche Rüstungsindustrie eine herausragende Rolle beim Aufbau der ukrainischen Branche zu sichern sucht.

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"Auf dem Weg zurück an die Weltspitze", UZ vom 26. April 2024



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