Zur Entwicklung der deutschen Militärausgaben – Vertiefung zum Leitgedanken 4

Auf dem Weg in die Kriegswirtschaft

Ulf Brandenburg

Derzeit diskutieren die Gliederungen der DKP in Vorbereitung des 26. Parteitags zehn Leitgedanken. Der Parteivorstand hat in diesen seine Analyse der Entwicklung des Imperialismus und der Kräfteverhältnisse dargelegt. Im Rahmen der Referatsdiskussion auf dem Parteitag im Juni 2025 sollen die kollektiven Diskussionsergebnisse eingebracht werden. Zur Unterstützung der Aneignung der Positionen des Parteivorstands und damit der Herstellung eines einheitlichen Wissensstands in der Partei erscheinen in UZ Artikel zur Vertiefung der einzelnen Leitgedanken. Wir haben die Beiträge in einem Dossier zusammengefasst.

In den 1950er und 1960er Jahren bis zur Entspannungspolitik zu Beginn der 1970er Jahre machten die Militärausgaben der BRD immer um die 4 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) aus, danach sanken sie auf etwa 3 Prozent. (Alle Zahlen laut dem schwedischen Friedensforschungsinstitut SIPRI.) Nach dem Zusammenbruch der So­wjet­union und der Einverleibung der DDR sank der Anteil der Militärausgaben am BIP auf unter 2 Prozent. Im Vergleich zu Frankreich und Britannien leistete sich Deutschland seit 1991 – bezogen auf die Wirtschaftsleistung – ein deutlich geringeres Militärbudget. Die europäischen Nachbarn haben die Folgekosten ihrer zerfallenen Kolonialreiche mit einem im Verhältnis zu ihren heutigen Möglichkeiten stark überdehnten Militär zu tragen. Deutschland konnte diese „eingesparten“ Milliarden für andere Dinge ausgeben und sicherte sich so im Verhältnis zu Frankreich und Britannien wirtschaftliche Vorteile.

Inte­ressen der ­Rüstungsindustrie

Der Verteidigungshaushalt Deutschlands erreicht 2024 einen Sollwert von 51,8 Milliarden Euro. Er bleibt damit in diesem Jahr – wie auch in den letzten zehn Jahren – konstant im Bereich von etwa 11 Prozent des gesamten Bundeshaushalts. Ein vergleichbares Ausgabenniveau (53,5 Milliarden Euro) soll bis 2027 beibehalten werden.

Bezieht man diese Militärausgaben auf die gesamten öffentlichen Haushalte, so kommt man auf einen Anteil von 3 Prozent, bezogen auf das BIP sogar nur auf 1,5 Prozent. Wo bleibt die „Zeitenwende“, wo das 2-Prozent-Ziel der NATO?
Die Struktur der Verteidigungshaushalte der letzten Jahre zeigt, dass etwa 40 Prozent für Personal und Versorgungsausgaben für ehemalige Soldaten und Beamte verplant sind – das ist der mit Abstand größte Posten.

Die Bundeswehrführung und die deutsche Rüstungsindustrie stört daran, dass die Bereiche „Beschaffung“ und „Forschung, Entwicklung und Erprobung“ weniger als ein Viertel der Verteidigungshaushalte ausmachten. Das heißt: In den Jahren vor 2022 standen weniger als zehn Milliarden Euro für Entwicklung und Kauf von Panzern und Bombern zur Verfügung – die Generale bekamen zu wenig Kriegsspielzeug, die Rüstungsindustrie machte zu wenig Profit.

Damit blieben die deutschen Kriegskonzerne selbst bei europaweiter Rüstungskooperation in vielen Bereichen zu klein, um auf dem weltweiten Rüstungsmarkt mit den USA oder Russland mithalten zu können. Ihnen bleiben nur einige Nischen wie Schiffe/U-Boote, Fahrzeuge oder „Kleinwaffen“ (Heckler & Koch), die von der Stärke des Auto- und Maschinenbausektors profitieren. Benötigt wird aus Sicht der Rüstungsindustrie deshalb eine Anschubfinanzierung für Großprojekte wie die Neuentwicklung von Flugzeugen, Schiffen und Panzern sowie für die moderne elektronische Kriegsführung.

Das „Sondervermögen ­Bundeswehr“

Die Lösung war das im Jahr 2022 beschlossene 100 Milliarden Euro große „Sondervermögen Bundeswehr“. Es sollte eher „Sonderschulden Bundeswehr“ genannt werden oder abgekürzt „SB“ wie Selbstbedienung. Es handelt sich um einen Extra- oder Schattenhaushalt. Damit schuf sich die Regierung die Möglichkeit, an Haushalt und Schuldenbremse vorbei Kredite für die Anschaffung von Militärausrüstung aufzunehmen. Früher nannte man das Kriegskredite.

Dieser Posten muss zum normalen Verteidigungshaushalt hinzugerechnet werden – und natürlich müssen diese Schulden letztendlich von uns über die Steuern bezahlt werden.

Durch die „Sonderschulden“ wird sich der Umfang der Beschaffung für die Jahre 2023 bis 2028 gegenüber den Vorjahren auf durchschnittlich 20 Milliarden Euro pro Jahr mehr als verdoppeln. Dementsprechend werden sich in den Folgejahren auch die Aufwendungen zum Erhalt der beschafften Waffensysteme erhöhen. Dies soll dann im Verteidigungshaushalt durch zusätzliche Ausgaben aufgefangen werden.

Berücksichtigt man die „Sonderschulden“, so erhöht sich der Rüstungshaushalt auf 72 Milliarden Euro und damit nach NATO-Kriterien auf 2 Prozent des BIP.

Allerdings sind die „Sonderschulden“ nach zwei Jahren aufgebraucht. Teilweise ist das Geld ausgegeben, der Großteil durch Zusagen und Bestellungen schon fest verplant. Der Wunsch nach weiteren Milliarden wird bereits laut.

Stärkung der Kriegskonzerne

Noch ist also die „Zeitenwende“ im Rüstungshaushalt nicht wirklich angebrochen. Sie zeigt sich bisher im Wesentlichen nur im „Sondervermögen Bundeswehr“, von dem die Rüstungsindustrie durch die für einige Jahre deutlich erhöhte Beschaffung profitiert. Dennoch erwies sich in der abgebrochenen Haushaltsdebatte, dass die Ausgaben für Krieg schon jetzt die übrigen Budgets kannibalisieren.

Aufrüstung und Stärkung der deutschen Kriegskonzerne sind im Inte­resse des deutschen Imperialismus und seiner Regierung. Dem Druck der USA, das Militärbudget auf 2 Prozent des BIP zu erhöhen, wurde deshalb ohne Zögern nachgegeben, aber in einer Form, die die Struktur des Bundeshaushalts bewahrt. Es ist auch ein Kompromiss zwischen der US-amerikanischen Rüstungsindustrie (Lockheed Martin, Boeing) und ihrer deutschen Konkurrenz (Airbus, Diehl, Rheinmetall, Hensoldt). Die Beute wird geteilt und selbst bei milliardenschweren Aufträgen, die in die USA gehen (Schwerer Transporthubschrauber CH-47F, Kampfflugzeug F-35 A) wurde vereinbart, Teile in Deutschland herstellen zu lassen.

Die entscheidenden Schlachten gegen die deutsche Kriegswirtschaft stehen noch bevor. In der aktuellen Finanzplanung des Bundes ist für 2028 – nach den Sonderschulden – eine Erhöhung des Verteidigungsbudgets von 53,5 Milliarden auf 80 Milliarden Euro pro Jahr vorgesehen. Das 2-Prozent-Ziel der NATO soll abgesichert werden. Außenministerin Annalena Baer­bock (Grüne) sprach sich schon für eine Steigerung aus. Diskutiert wird dabei über eine Aussetzung der Schuldenbremse, die in den vergangenen Jahren immer wieder herhalten musste, um Sparmaßnahmen in allen anderen Bereichen zu begründen.

Ebenfalls ist eine Neuauflage der Kriegskredite im Gespräch. Hier deutet sich die Etablierung einer nationalen Beschaffungsbürokratie à la USA an, die auch im gemeinsamen Papier des Bundesverbands der Rüstungsindustrie (BDSV), des SPD-Wirtschaftsforums und der IG Metall vom Februar 2024 sichtbar wird.

Diskussion der Leitgedanken
Ab Ende Januar wollen wir den Gliederungen der DKP die Möglichkeit geben, in der UZ ihre Diskussionsergebnisse darzustellen. Zur Strukturierung werden wir diese in Blöcken zusammenfassen. Beginnen werden wir mit der Einschätzung internationaler Entwicklungen in den Leitgedanken 1 bis 3. Darauf folgt die Analyse der Situation in Deutschland in den Leitgedanken 4 bis 7. Zum Abschluss sollen die Kräfte des Widerstands diskutiert werden. Wir bitten die Gliederungen der DKP ab sofort um Einsendungen ihrer Diskussionsbeiträge mit einem maximalen Umfang von 6.000 Zeichen an: debatte@unsere-zeit.de

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"Auf dem Weg in die Kriegswirtschaft", UZ vom 20. Dezember 2024



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