Die wirtschaftlichen Engpässe, unter denen die kubanische Bevölkerung leidet, sind ein direktes Produkt der erbarmungslosen Anwendung von Dutzenden von Sanktionen aus Washington inmitten der Pandemie. Zur Verschleierung finanzieren die USA ein ganzes Netz von digitalen „anticastristischen“ Medien. In diesen lesen wir, dass diese Engpässe auf der „schlechten Regierungspolitik“ von Havanna beruhen und auf dem „Scheitern des Sozialismus“.
Diese These, immer wieder von der internationalen Presse wiederholt, wird auch auf das Thema Migration angewandt. Die Alarmüberschriften lauten: „Kuba erlebt die größte Krise der Auswanderung seiner Geschichte“, oder: „Kuba erlebt einen neuen massiven stillschweigenden Exodus“. Die Medien schlüsseln uns den Anstieg der Emigration genau auf. Aber was sagen sie uns über die Gründe? Erklären sie die Mechanismen des ökonomischen Krieges der USA, der neben der Pandemie Mangelversorgung, Warteschlangen und Stromunterbrechungen verursacht hat? Was berichten sie uns über die Nichteinhaltung des bilateralen Abkommens seitens des Weißen Hauses, das die Erteilung von mindestens 20.000 Visa jährlich vorsieht? Was über die Schließung des Konsulats in Havanna während der letzten fünf Jahre? Lesen wir etwas von der einwanderungsmäßigen Bevorzugung, die die kubanische Bevölkerung in den USA im Verhältnis zu anderen migrantischen Gemeinschaften durch das Ley de Ajuste Cubano genießt? Nichts sagen sie uns zu alledem, oder sie versichern uns, das sei die „Rhetorik“ der kubanischen Regierung.
Für die spanische Tageszeitung „ABC“ sind die Gründe für die Emigration der „Terror, die Repression und die Verletzungen der Menschenrechte durch die Diktatur“. Und wie erklärt man uns, warum die USA keine Visa gewähren? Dies sei die „Antwort auf die Schallattacken, die mehr als 20 nordamerikanische Diplomaten erlitten haben“. Ganz so, als wäre dies ein Kommuniqué des Staatsministeriums der Regierung von Donald Trump! „ABC“ unterstützt damit nicht nur diesen schändlichen und unglaublichen Schund ohne Beweise für diese „Schallattacken“, sie lügen außerdem: „Die Abkommen über die Einwanderung sind weiterhin in Kraft und werden in Ländern wie Guyana angewandt.“ Na klar, die Abkommen sind weiter in Kraft, aber sie werden nicht erfüllt: Von den mindestens 20.000 Visa jährlich haben die USA nicht mal ein Fünftel erteilt.
Auf der anderen Seite versichert die Tageszeitung „El Mundo“, dass diejenigen, die emigrieren, „ihr Leben riskieren, um vor der Diktatur von Díaz-Canel zu flüchten“. Sie „flüchten“, versteht sich, weil sie das Land nicht verlassen dürfen. Das ist völlig falsch, wie die Tatsache beweist, dass tausende Migranten die Insel per Flugzeug verlassen. Auf völlig legale Art und Weise, in Richtung Zentralamerika, um von dort aus über Land in die USA zu gelangen. Aber „El Mundo“ selbst bestätigt dieses im gleichen Text genauso wie das Gegenteil. Deshalb beschuldigt sie die kubanische Regierung, die Auswanderung als Auslassventil zu benutzen, um eine „soziale Explosion“ zu vermeiden. Was ist nun? Fliehen sie oder nicht? Oder ist es so, dass die Regierung ihnen die „Flucht“ erleichtert?
Diese Tageszeitung schreibt allerdings eine ganz andere Version über die Emigration aus Haiti zum Beispiel. Dieses Land ist „Opfer eines großen Scheiterns der internationalen Gemeinschaft“. Kein Wort über das dort vorherrschende neoliberale Modell, das Fehlen jeglicher grundlegender Dienste oder die Repression, ganz zu schweigen von unverhüllten Lügen. Eine Gruppe von Migranten aus Haiti, ganz elend von den Wellen, landete in Kuba, wurde dort aufgenommen und Tage später wieder zurückgeschickt, in Anwendung der üblichen Regeln. Aber „El Mundo“ erfindet, dass diese Personen es „vorzogen, nach Haiti zurückzukehren“, „trotz der Angebote der castristischen Autoritäten, zu bleiben“. Lüge über Lüge.
Die Emigration entwickelt sich seitens des Anticastrismus zu einer weiteren Waffe der Aggression gegen Kuba. Als US-Präsident Joseph Biden im Mai ankündigte, dass das Konsulat in Havanna wieder geöffnet werden soll, beschuldigten sie ihn, dem „kubanischen Regime“ ein „Geschenk“ zu machen. Dafür würde er „im Gegenzug nichts“ erreichen, er beuge sich „einer Erpressung“, bis hin zu der Behauptung, dass Havanna „die Ausreise von Bürgern als Auslassventil nutze angesichts der kleinsten Anzeichen von ‚Rebellion‘“. Schlussfolgerung: Von den Villen in Miami aus üben sie Druck aus, damit Biden weiterhin die legale und sichere Emigration aus Kuba verhindert, damit sich, zusammen mit den Maßnahmen des ökonomischen Erstickens, eines Tages die Welle des Drucks explosionsartig entlädt.
Die Maschinerie der Propaganda wird weiterhin versuchen, die öffentliche Meinung zu täuschen. Aber die Realität ist: Die Sanktionen und der Wirtschaftskrieg schaffen es, das Lebensniveau der kubanischen Bevölkerung herabzudrücken. Diese kann nicht auf sichere Art das Land verlassen, weil die USA keine Visa erteilen. Aber wenn die Migranten es schaffen, illegal in die USA einzureisen, können sie mit rechtlichen und wirtschaftlichen Privilegien rechnen. Wer ist es also, der für den Anstieg der Zahlen bei der kubanischen Emigration verantwortlich ist? Und wer fördert die illegale Auswanderung?
„Cuba Libre“ ist die Zeitschrift der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba. Sie erscheint viermal im Jahr und kostet 3,50 Euro pro Ausgabe. Ein Jahresabonnement kostet 12,50 Euro. Für Mitglieder der Freundschaftsgesellschaft ist der Bezug kostenlos.