Wieder gab es Massendemonstrationen und Blockaden als Protest gegen die geplante Justizreform in Israel. Reserveoffiziere der Luftwaffe traten zu – freiwilligen – Übungen nicht an. Und internationale Rating-Agenturen formulieren eine neue Art von BDS („Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen“) – mit der Betonung auf D: Desinvestitionen. Die Kluft in der israelischen Gesellschaft zwischen den Wählern und Unterstützern der extrem rechten Regierung und ihren Gegnern und den Institutionen in Israel und im Ausland ist tief.
Mittlerweile ist es ein auch institutioneller Machtkampf. Der rechtsradikale Minister für nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, versuchte den Polizeichef von Tel Aviv, Ami Eshed, zu feuern. Angeblich war es eine länger geplante Versetzung, vermutlich aber war für Ben-Gvir das Vorgehen von Eshed zu wenig konfrontativ. Es folgte eine Welle der Empörung. Exminister Benjamin Gantz verlangte in einem Schreiben an die Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara, dass Ben-Gvir keine Anweisungen an die Polizeichefs geben dürfe. Und tatsächlich: Baharav-Miara ordnete an, dass Eshed in seinem Amt verbleiben müsse.
Für internationale Rating-Agenturen bleibt das Geschehen nicht folgenlos. Fitch und Moody‘s bleiben zwar bei ihrer hervorragenden Beurteilung der israelischen Kreditwürdigkeit, meinen aber, die Justizreform könnte negative Folgen haben. Ist es eine Warnung, eine Drohung oder ein Aufruf zu Desinvestitionen? Riskified, ein Finanzunternehmen, wollte nicht abwarten. Es zog 500 Millionen Schekel (NIS) ab und will sein Unternehmen statt in Israel nun in Lissabon ausweiten. Andere Fonds zogen zusammen bis zu acht Milliarden NIS (rund zwei Milliarden Euro) vom israelischen Markt ab.
Die Prognosen der Wirtschaftsauguren veranlassten Benjamin Netanjahu, Stellung zu beziehen. In einer Pressekonferenz Ende Januar verkündete er, dass die Justizreform keinen Einfluss auf die Wirtschaft haben werde.
Unberührt von den Protesten agiert das Militär. Bis zu 50 Prozent der Piloten bei Einsätzen der israelischen Luftwaffe sind erfahrene Reserveoffiziere, oft in führender Position. Ihr Protest gegen die Justizreform hindert sie nicht an Einsätzen wie dem in Aleppo, als sie Anfang März den Flughafen der Stadt bombardierten, über den ein Teil der Hilfsgüter für die Erdbebenopfer in Syrien transportiert wurde.
Und die Einsätze auf der Westbank, vor allem in Jenin und in Nablus, bei denen viele Palästinenser getötet werden, gehen weiter. Finanzminister Bezalel Smotrich hatte in einem Tweet sogar verlangt, die palästinensische Stadt Huwara auf der Westbank – Ort eines Anschlags auf Israelis und hemmungsloser Gewalt von Siedlern gegen palästinensisches Eigentum – solle ausgemerzt werden. Er zog den Tweet später zurück – wohl, um eine Reise nach Washington nicht zu gefährden.
Die aktuellen Militäreinsätze und die womöglich drohende Eskalation schaffen ein schlechtes Image. An dessen Verbesserung arbeiteten auf Einladung Jordaniens Vertreter von USA, Israel, Ägypten und der Palästinensischen Autonomiebehörde. Sie diskutierten in Akaba am Roten Meer unter anderem den Vorschlag, Sicherheitskräfte der Autonomiebehörde sollten in Jordanien von den USA ausgebildet und ausgerüstet werden, um später die Kontrolle über Dschenin und Nablus zu übernehmen, so dass dieser Krieg nicht von Israel geführt werden müsse.
Im offiziellen Abschlusskommuniqué hieß es, Israel werde für vier Monate nicht über neue Siedlungsprojekte diskutieren. Die Tinte auf dem Papier war noch nicht trocken, als Netanjahu auf Twitter erklärte: Es wird keinen Siedlungsstopp geben.