Vor wenigen Tagen endete der 21. Europäische Polizeikongress, der im Berliner Congress Center (bcc) stattfand und sich in diesem Jahr dem Themenkomplex „Sicherheit besser vernetzen – Information – Prävention – Repression“ widmete. In über 20 Foren wurden relevante strategische, politische und technologische Themen erörtert. An besagtem Kongress nahmen insgesamt mehrere Hundert Besucher aus Behörden, Polizei, Geheimdiensten und Sicherheitsfirmen aus dem In- und Ausland teil.
Der Polizeikongress, der vom Behördenspiegel, einer überregionalen Monatszeitung für den öffentlichen Dienst, veranstaltet wird, solle als „Informationsplattform für Entscheidungsträger der Polizeien und Sicherheitsbehörden“ verstanden werden, schreiben die Veranstalter auf ihrer Internetseite. Tatsächlich ist er jedoch die wohl bedeutendste regelmäßige Zusammenkunft von politischen Hardlinern, die sich über den Abbau der letzten verbliebenen Grund- und Freiheitsrechte austauschen. Dabei machen sie auch aus ihrem Wunsch einer verstärkten Zusammenarbeit von Polizeibehörden und Militär keinen Hehl. „Dazu müssen wir uns mehr vernetzen, national und international, auch mit den Nachrichtendiensten und dem Militär bis auf die operativ-taktische Ebene“, forderte Olaf Lindner, Präsident einer Bundespolizeidirektion.
Erste Erfahrungen damit, wie diese Militarisierung der Innenpolitik in der Realität aussehen könnte, durften Gegnerinnen und Gegner des G20-Gipfels im letzten Jahr in Hamburg machen. So verwunderte auch nicht, dass die Organisatoren des Polizeikongresses ausgerechnet Hartmut Dudde, den „Leiter des Vorbereitungsstabs OSZE/G20“ der Polizei Hamburg eingeladen hatten, um gemeinsam mit anderen über die „Bewältigung von Demonstrationslagen“ zu referieren.
Wo die Veranstalter politisch stehen, wurde unterdessen auch an der mehrere Dutzend Firmen umfassenden Unterstützerstützerliste des Kongresses deutlich, auf der sich unter anderem die Daimler AG, die im Glücksspielgeschäft tätige Gauselmann AG, der Kriegswaffenhersteller Rheinmetall und der Mobilfunk- und Kommunikationsanbieter Vodafone finden.
Mitunter stellt sich die Frage, was die Führungskräfte aus Polizei, Geheimdiensten und Militär politisch noch erreichen wollen? Grundgesetzlich verbriefte Rechte sind in der Realität oftmals bereits ausgesetzt. Die Militarisierung der Polizei geht einher mit einer ausufernden Überwachung breiter Teile der Bevölkerung. Software zur Gesichtserkennung, der Einsatz von Überwachungsdrohnen, schwere Waffen und Kriegsgerät im Inland sind heute bereits Realität und keineswegs Teil einer finsteren Fiktion. Auch das historisch gewachsene und als Konsequenz aus dem deutschen Faschismus über Jahrzehnte hinweg gültige Trennungsgebot von Polizei und Geheimdiensten ist mittlerweile Geschichte. Der europapolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, Andrej Hunko, hat erst vor wenigen Tagen öffentlich gemacht, dass die Polizeiagentur Europol mit rund zwei Dutzend Geheimdiensten am Projekt „Gallant Phoenix“ teilnehme. „Der Datentauschring wird vom US-Militärgeheimdienst NSA geführt, auch der BND macht dort mit. Über Europol gelangt auch das BKA an Informationen aus militärischen Quellen“.
Das Projekt „Gallant Phoenix“ dient der Sammlung und Verarbeitung von Daten aus „Kriegsschauplätzen“ („battlefield data“) in Syrien. Gespeichert werden etwa biometrische Daten oder DNA-Spuren sogenannter ausländischer Kämpfer und deren Kontaktpersonen. „Die Polizeiagentur betreibt ein ‚Migrant Smuggling Information Clearing House‘, um Daten der EU-Militärmission im Mittelmeer zu verarbeiten. Hierzu gründeten Europol und EUNAVFOR als Pilotprojekt eine ‚Kriminalitätsinformationszelle‘. Geflüchtete sind dabei Versuchskaninchen, später soll die Zusammenarbeitsform auf andere Militärmissionen ausgeweitet werden“, berichtete Hunko.
All das zeigt, dass es sich mittlerweile bei George Orwells Roman „1984“ keineswegs mehr um eine Zukunftsvision in Sachen Überwachungsstaat handelt. Er ist vielmehr bereits Realität. Aber selbst das reicht den Reaktionären in Polizei, Geheimdiensten, Militär und Parlamenten offensichtlich noch lange nicht aus.