Die einst mächtige Deutsche Bank ist zum Spielball der Politik geworden. Auf der Herbsttagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) am vergangenen Wochenende in Washington standen die Bank und der Finanzminister des Heimatlandes der Bank, ein gewisser Wolfgang Schäuble, im Zentrum der Aufmerksamkeit. Es bündelten sich schon Jahre dauernde Konflikte, die sich jetzt auf die Frage zuspitzen, ob die deutsche Regierung ihre brutale Politik der Exportförderung und der Überschüsse im Warenverkehr endlich ändern wird.
Die Politik hoher Exportüberschüsse hat in Deutschland seit dem 2. Weltkrieg Tradition. Sie ist in Deutschland auch populär. Es leuchtet unmittelbar ein, dass ein Land mit Überschüssen von anderen nicht so leicht herumgeschubst werden kann. Seine industrielle Exportstärke bewirkt, dass Deutschland relativ gut mit der Dauerwirtschaftskrise seit 2008 zurechtkommt. Exporterfolge werden mit sicheren Arbeitsplätzen identifiziert. Die Nachteile dieser Politik sind relativ zur hohen Produktivität niedrige Löhne, mehr Armut im Land und ganz allgemein gesprochen, dass die Menschen in Deutschland unter ihren Verhältnissen zu leben gezwungen werden.
Schlimmer ist der Exportüberschuss dort, wohin die deutsche Exportwalze rollt. Die Länder des Euro sind am härtesten betroffen, ihre Industrie bleibt auf der Strecke. Die Arbeitsplätze brechen weg. Man kann auch sagen, die Arbeitslosigkeit wird nach Griechenland, Spanien, Portugal, aber auch nach Estland, Bulgarien und Lettland exportiert. Selbst für die großen kapitalistischen Volkswirtschaften ist die Angelegenheit kein Spaß. Die fehlende Nachfrage aus Deutschland verschärft überall in der Welt die Überproduktionskrise. Das ist eine Beschwernis, die auch dem Kapital dieser Länder zu schaffen macht. Seine Verwertungs- (oder auch Geschäfts-)bedingungen werden schlechter. Zwar versuchen sie durch Druck auf die Löhne ihre Rendite zu verbessern. Aber sie versuchen auch, politischen Druck auf die Bundesregierung auszuüben, ihren Kurs ein wenig zu ändern.
Deutsche Medien beginnen zu berichten
Das geht nun schon einige Jahre so. Auf den G-7-, G-20-Treffen und den halbjährlichen Generalversammlungen von IWF und Weltbank wird der deutschen Regierung von den anderen dringend nahegelegt, die Nachfrage im Inland in Schwung zu bringen, die Investitionen des Staates zu erhöhen und die der Privaten anzukurbeln. Aber der deutsche Finanzminister hört in dieser Beziehung schlecht. Er weiß die deutsche Öffentlichkeit bis weit in die Gewerkschaften und sogar die Linken hinter sich. Der Keynesianismus und alles was ihm ähnlich sieht wurde schon in den 80er Jahren plattgemacht, das Gedankengut aus den Universitäten und Wirtschaftsforschungsinstituten vertrieben. Wir mussten uns auch daran gewöhnen, dass die Presse in Deutschland den Ärger der anderen über die deutsche Wirtschaftspolitik einfach verschwieg.
Auf der aktuellen Herbsttagung war es plötzlich anders. Sogar die normalerweise sehr regierungsfreundliche ARD erwähnte in der Tagesschau, dass Finanzminister Schäuble in Washington vielfach kritisiert worden sei. Nicht nur die Regierungen der Euroländer, sondern die auf dem ganzen Globus haben es satt, die deutsche Exportwalze über ihre Länder rollen zu sehen. Der deutsche Überschuss in der Leistungsbilanz nähert sich neun Prozent am Bruttoinlandsprodukt. Dies wurde auf der Konferenz offensichtlich nicht nur ausgesprochen. Es zeigte auch erste Wirkung. Schäuble briefte die deutschen Journalisten mit besonderem Eifer. Wirkungsvoller als Gespräche und Kommuniqués, in denen Deutschland milde getadelt wird, dürfte ein anderes Druckmittel sein. Es ist die Deutsche Bank in Gefahr. Ihr Zustand ist derart schlecht, dass offen über eine Stützung durch den deutschen Staat geredet und geschrieben wird. Das wäre das Ende von Schäubles rigoroser „Sparpolitik“.
Der US-Finanzminister Jack Lew empfahl den Europäern ganz generell, dafür Sorge zu tragen „ihre“ Banken mit genügend Eigenkapital auszustatten. „Wir haben deutlich gemacht, dass Europa nicht so viel getan hat“ wie die Vereinigten Staaten, sagte er. Tatsächlich herrscht in Europa das Prinzip, dass jeder Staat die bei ihm beheimateten Banken stützt. Die Euro-Währungsunion gilt nur im Prinzip und ist noch nicht ausprobiert worden. Zudem haben die USA ihre Banken mit viel Geld zwangssaniert. Lews Ratschläge beziehen sich auf die Problemfälle, zu denen seit dem Frühjahr akut auch die Deutsche Bank zählt.
Diese Bank wird erst jetzt von den Folgen der großen Finanzkrise 2007 wirklich heimgesucht. In jenem war sie eine der weniger großen Banken weltweit, die nur wenig beschädigt und nur relativ geringe Abschreibungen auf ihre Guthaben und vergebenen Kredite machen mussten. Ihr schadete allerdings die schlichte Tatsache, dass das Betätigungsfeld für Investmentbanken in den Folgejahren zwar nicht rasant schrumpfte, aber doch nicht mehr so wunderbar blühte wie zuvor. Ebenfalls mit einiger Verzögerung haben die Finanzaufsichtsbehörden in Großbritannien und den USA der Deutschen Bank erhebliche Strafen für Fehlverhalten am Devisen-, Derivate- und Bondmarkt auferlegt. Die letzte dieser Strafen wurde erst in diesem Jahr ausgesprochen. Sie bezog sich auf den Verkauf von Hypothekenpapieren, deren Preisverfall 2006 und 2007 die Finanzkrise ausgelöst hatte. Die Angelegenheit liegt also schon einige Jährchen zurück. Die Strafe für das Fehlverhalten lautet auf 14 Mrd. Dollar. Das ist ein hübsches Sümmchen. Auch die Deutsche Bank kann eine solche Strafe nicht aus der Portokasse bezahlen und auch nicht aus den Rückstellungen (von 5,5 Mrd. Euro), die sie für solche Zwecke schon vorgenommen hat. Die ganze Bank ist nach dem Absturz des Börsenkurses nur noch etwa 16 Mrd. Euro wert.
Politische Strafe
Auch andere europäische und auch US-Banken mussten und müssen wegen ähnlicher Delikte hohe Strafen zahlen. Allerdings ist die Strafe für die Deutsche Bank besonders hoch. Das hat zum einen damit zu tun, dass die Bank vor zehn, zwölf Jahren zu den Marktführern in dem insgesamt betrügerischen Geschäftszweig zählte, den die US-Aufsichtsbehörden damals übrigens toleriert haben. Die hohe Strafe ist allerdings auch eine politische. Sie wurde vom US-Justizministerium ausgesprochen, also einem Arm der Exekutive. John Cryan, der Chef der Deutschen Bank, hat am vergangenen Freitag dort vorgesprochen, um über die endgültige Höhe dieser Strafe zu verhandeln. Es gab, wie indirekt verlautete, noch keine Einigung. Das hat auch damit zu tun, dass ein paar Straßen weiter im IWF-Gebäude die Herren Lew und Schäuble sich auch nicht einigen konnten. Die IWF-Direktorin, die Französin Christine Lagarde, die das Schicksal der Deutschen Bank von Amts wegen nichts angeht, empfahl der Deutschen Bank dringend, sich mit dem US-Justizministerium bezüglich der angedrohten Strafe von 14 Mrd. Dollar zu einigen. Das ist nicht einfach ein unerbetener Rat, sondern ein Hinweis an Schäuble, dass es auch andere Druckmittel gibt.