Zur Frage der Bedeutung des Atomwaffenverbotsvertrags

Atombomben sind nicht alle gleich

Im Rahmen der UN-Generalversammlung wurde 2017 der Atomwaffenverbotsvertrag (AVV) beschlossen. Knapp die Hälfte der Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen haben den Vertrag unterzeichnet. Die NATO bekämpft diesen Vertrag und hat verlauten lassen, dass eine Mitgliedschaft in der NATO und ein Beitritt zum AVV unvereinbar seien. Ein weiterer Grund, den Beitritt Deutschlands zu fordern.

In seinem Referat auf der Tagung des Parteivorstands der DKP im Oktober setzte sich Patrik Köbele, Vorsitzender der DKP, mit der Unterstützung der Kampagne durch die Kommunistinnen und Kommunisten auseinander.

Wir kämpfen seit Jahrzehnten gegen die Lagerung von US-Atomwaffen auf deutschem Boden. Wir kämpften und kämpfen dagegen, weil sie Teil der aggressiven Strategie der NATO sind. Wir kämpften und kämpfen dagegen, weil gelagerte Atomwaffen logisches Ziel militärischer Aktionen sind und damit Krieg und Zerstörung anziehen. Wir kämpfen heute dagegen, weil sie Bestandteil der NATO-Aggression gegen Russland und eine Form des Griffs des deutschen Imperialismus nach Atomwaffen sind. Wir kämpften und kämpfen dagegen, weil wir den Traum von einer Welt ohne Massenvernichtungswaffen teilen.

Wir wissen, dass sich dieser Traum nicht realisieren lässt, solange der Imperialismus dominiert beziehungsweise im Weltmaßstab über Einfluss verfügt. Wir wissen und haben das sowohl durch die beiden Weltkriege, durch das „Totrüsten“ des Sozialismus in Europa, durch die unzähligen imperialistischen Aggressionen seit der Phase der Konterrevolutionen in Europa gelernt: Der Imperialismus kann nicht friedensfähig werden, er kann nur zur Friedlichkeit gezwungen werden.

Deswegen haben wir gelernt, dass Dinge, die gleich oder ähnlich aussehen, nicht gleich oder ähnlich sind. Einfach ist das, wenn wir die Bundeswehr und die Nationale Volksarmee der DDR vergleichen. Soldaten sind eben nicht alle gleich, wie es der Kriegstreiber Wolf Biermann damals sang. Damals hat das Verwirrung in die Friedensbewegung getragen – sollte es auch. Ähnlich war das mit der oppositionellen Friedensbewegung der DDR. Sie war stark aus Kreisen der Kirchen initiiert worden. Sicher waren Menschen dabei, denen es tatsächlich um Frieden ging. Das war aber nicht das Wesen: Den Initiatoren ging es um Opposition zum Sozialismus, allen vordergründig propagierten Wegen zum Trotz.

Wir haben bei der fünften PV-Tagung ausführlich argumentiert und diskutiert, warum „Äquidistanz“ heute eine große inhaltliche Gefahr für die Friedensbewegung ist und wie wichtig in den 80er-Jahren der Kampf gegen die falsche Gleichsetzung der amerikanischen und der sowjetischen Mittelstreckenraketen war. Den Versuch, diese falsche Gleichsetzung in die Friedensbewegung zu tragen, gab es damals von Teilen der Sozialdemokratie, der Grünen und von linkssektiererischen Gruppen.

Es ist also notwendig zu erkennen, wer Aggressor ist und wer nicht. Der Atomwaffenverbotsvertrag tut das erst mal nicht. Er kann das auch gar nicht, weil er ein Vertrag im Rahmen der Vereinten Nationen ist, die selbst ein Gremium sind, in dem in Permanenz der weltweite Klassenkampf zwischen dem Imperialismus und antiimperialistischen Kräften tobt. Hier an dieser Stelle will ich die Differenziertheit dieses Kampfes, die wechselnden Koalitionen und Konstellationen in Erinnerung rufen.

Das Verbot von Atomwaffen kann und wird instrumentalisiert werden. So dient es ja bereits als Begründung für Sanktionen gegen die Koreanische Demokratische Volksrepublik (KDVR) und den Iran. Dabei ist die militärische Schlagkraft der KDVR einer der Gründe, die ihre Existenz seit dem Waffenstillstand im Koreakrieg sichern. Beim Iran wird gerne vergessen, dass er sich aus Israel mit Atomwaffen bedroht fühlt. Historisch relativ gesichert ist, dass Israel bereits 1973 im Krieg mit Syrien und Ägypten den Einsatz von Atomwaffen plante.

Angesichts der massiven Aufrüstungspolitik der NATO-Staaten und des gewaltigen atomaren Potenzials der imperialistischen Länder USA, Großbritannien, Frankreich und Israel wäre es geradezu ein Irrsinn, von der Russischen Föderation oder der VR China die Unterzeichnung des Atomwaffenverbotsvertrags zu fordern.

Daran ändert nichts, dass es auch unter den führenden Imperialisten Widersprüche gibt, wie wir sie gerade bei der Bildung des neuen gegen die VR China gerichteten Bündnis AUKUS erleben. Diese muss man analysieren; antiimperialistische Politik muss versuchen, diese Widersprüche auszunutzen, darf sich aber nicht der Hoffnung auf eine Schwäche des Imperialismus hingeben.

Eine weltweite Fokussierung des Kampfes der Friedensbewegung auf die Unterzeichnung des Atomwaffenverbotsvertrags, die diese Unterschiede übersieht, ist falsch und kann für die Interessen des Imperialismus instrumentalisiert werden. Eine Fokussierung der deutschen Friedensbewegung auf die Forderung, Deutschland möge den Vertrag unterzeichnen, ohne an erster Stelle zu fordern „US-Atomwaffen raus aus Deutschland“, kann das Problem beinhalten, dass dann angeführt wird, dass diese Waffen gar nicht betroffen sind, da es sich ja um US-Waffen handelt. Wir sollten nicht vergessen, dass der Bundestag vor Jahren den Abzug dieser Waffen beschlossen hat, ohne dass dies irgendwelche Konsequenzen hatte.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Atombomben sind nicht alle gleich", UZ vom 12. November 2021



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Herz.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit