Atomarer Wahnsinn

Die USA beschleunigen die Modernisierung ihrer in Europa stationierten Nuklearwaffen. Sie wollen noch in diesem Jahr beginnen, die Atombomben des Typs B61, die unter anderem in Büchel in der Eifel gelagert sind, durch die neue Version B61-12 zu ersetzen. Nach einem Bericht des Nachrichtenportals „Politico“ betrifft die Maßnahme alle europäischen Standorte, an denen etwa 100 US-Atomwaffen eingelagert sind. Neben Büchel handelt es sich um Kleine Brogel (Belgien), Volkel (Niederlande), Ghedi, Aviano (Italien) und İncirlik (Türkei).

Der beschleunigte Austausch der B61 durch die zielgenaueren B61-12 wurde unmittelbar vor der Präsentation der neuen US-Nuklearstrategie am Donnerstag letzter Woche bekannt. Sie hält, wie Experten feststellen, im Wesentlichen an den Elementen der Trumpschen Nuklearstrategie fest. So schließt sie explizit jeden Verzicht auf einen nuklearen Erstschlag aus. Ein solcher Verzicht, wie ihn etwa China erklärt hat, stelle für die Vereinigten Staaten „ein inakzeptables Risiko“ dar, heißt es in dem Papier. Die USA zögen „den Einsatz nuklearer Waffen unter extremen Bedingungen“ in Betracht, falls „ihre vitalen Interessen“ oder diejenigen ihrer Verbündeten und Partner bedroht seien.

Davon unabhängig legt eine führende deutsche Tageszeitung zum wiederholten Mal die nukleare Aufrüstung der Bundesrepublik nahe. Wie es in einem Beitrag heißt, den die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ auf ihrer Titelseite unter der Überschrift „Brauchen wir die Bombe?“ publizierte, könne man zwar „für völlig verrückt (…) erklärt“ werden, „wenn man vorschlägt, dass Deutschland sich (…) einen eigenen Atomschirm anschaffen“ solle. Doch sei es „die schlechteste Wahl“, nicht in Rechnung zu stellen, dass unter einer zweiten US-Präsidentschaft von Donald Trump oder unter einer französischen Präsidentschaft von Marine Le Pen ein transatlantischer oder europäischer „Atomschirm“ für die Bundesrepublik nicht mehr gewährleistet sei. Die „strategische Selbstvergewisserung“, von der in Berlin gesprochen werde, dürfe „nicht Wortgeklingel bleiben“.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Atomarer Wahnsinn", UZ vom 4. November 2022



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Tasse.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit