Über 250 000 Klagen wegen abgelehnter Asylanträge sind derzeit vor deutschen Verwaltungsgerichten anhängig. Die Gerichte sind wegen chronischem Personalmangel überlastet. Das bedeutet für über eine viertel Million Menschen, dass sie nicht wissen, was morgen sein wird. Ein Bangen zwischen Abschiebung bei Nacht und Nebel in eine ungewisse Zukunft oder doch noch Schutz und Perspektive in einem sicheren Land. Rein verwaltungstechnisch sollte das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) in Luxemburg zum Dublin-III Abkommen Klärung bringen. Offen war, wer für die in der EU ankommenden Flüchtlinge zuständig ist. Wer muss sie registrieren, unterbringen und versorgen und wenn die Zeit reif ist, abschieben?
Aber um was handelt es sich bei Dublin-III? Als der Staub vom Schleifen der Berliner Mauer noch nicht ganz auf den jetzt kapitalfreudigen Boden gesunken war, da beschlossen die politischen Vertreterinnen und Vertreter der europäischen Kapitalfraktionen das „Dubliner Übereinkommen“ (DÜ) auf den Weg zu bringen. Am 15. Juni 1990 einigten sich die damaligen Staaten der Europäischen Gemeinschaft (EG) darauf, dass Asylsuchende im Land, in dem sie das Gebiet der EG betraten, auch ihren Asylantrag stellen mussten. Man wollte gewappnet sein auf die Flüchtlingsströme aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion und des Warschauer Paktes. Am 1. September 1997 trat das DÜ in Kraft und wurde 2003 durch die Verordnung Nr. 343/2003 (Dublin-II) ersetzt. Neben den EU Staaten gehörten dann auch Norwegen, Island und die Schweiz zum Geltungsbereich. Dublin-II wurde 2013 von der Verordnung Nr. 604/2013 (Dublin-III) abgelöst. Durch Dublin-III wurden die Aufnahmerichtlinien verschärft, die Abschiebepraxis vereinfacht und die Kompetenzen von Polizei und anderen Sicherheitsbehörden erweitert. Norwegen, Island und die Schweiz beteiligen sich nicht mehr an Dublin-III. Eigentlich klärt Dublin-III, auf die DÜ fußend, die Frage, wer für die ankommenden Schutz- und Hilfesuchenden zuständig ist. Jedoch stehen in allen Vertragswerken von DÜ bis Dublin-III den Mitgliedsländern Ausnahmen aus humanitären Gründen zu. So eine Ausnahme postulierte Angelika Merkel 2015. Schwieriger verhält es sich aber, was mit Flüchtenden passiert, die von Mitgliedstaaten durch ihr Hoheitsterritorium geschleust werden, damit sie erst in einem folgenden Land Asyl suchen.
Das EuGH Urteil bestätigte nun den geschaffenen Status-Quo. Prinzipiell sei die juristische Verfahrensweise nach Dublin-III, nach dem das Land in dem der Flüchtende die EU betrete, auch für ihn zuständig ist. Gleichzeitig sei das Vorgehen der Bundeskanzlerin rechtens, da die 2015 „außergewöhnlichen Umstände“ dies gerechtfertigt hätten. Jeder EU-Staat könne von seinem „Selbsteintrittsrecht“ Gebrauch machen und sozusagen für einen anderen einspringen, was die verpflichtende Bearbeitung von Asylanträgen angeht. Weiter urteilte das EuGH, dass Flüchtlinge, deren Ein- oder Weiterreise in einen EU-Staat laut Richtereinschätzung nicht rechtens war, innerhalb von drei Monaten nach Antragstellung in das Einreiseland zurückgeschickt werden muss. Falls diese Frist überschritten ist, muss sein Asylantrag im Land bearbeitet werden, in dem er sich aufhalte.
Mit dem Urteil wurde allen Betroffenen irgendwie Recht gegeben und die letztendliche Entscheidung, wie zu verfahren ist, dem jeweiligen Land überlassen. Weder für Länder wie Italien oder Griechenland, noch für die Flüchtenden selber brachte die Entscheidung aus Luxemburg etwas, auf das sie pochen können.