Die Singapur-Konvention über Mediation und der US-chinesische Machtkampf

Asiatische Entspannungsversuche

Von Klaus Wagener

Der Machtkampf zwischen dem US-Imperium und der asiatischen ökonomischen Großmacht China wird zunehmend härter. Mittlerweile sind sämtliche chinesischen Exporte in die USA mit Zöllen belegt, China hat begonnen, US-Agrarprodukte komplett durch andere Einfuhren zu ersetzen, der Kampf hat mit der Blockade von Huawei und der Infragestellung der Belieferung mit Seltenen Erdmetallen die Tech-Ebene erreicht und nun auch mit den zugelassenen Kursverlusten des Renminbi die Währungsebene. Die USA haben China daraufhin als Währungsmanipulateure gebrandmarkt. Präsident Trump wird nicht müde, die Probleme der Chinesen triumphierend herauszustellen. Allerdings wohl eher, um die Leiden der US-Farmer, einer seiner wichtigsten Wählergruppen, zu relativieren. Der Machtkampf hat das Potential, die globale Konjunktur zu beeinflussen. Es wird eine Menge Verlierer geben.

Umso erstaunlicher, dass in der letzten Woche 46 UN-Mitgliedstaaten, darunter die VR China und die USA, in Singapur eine UN-Konvention über Mediation aus der Taufe gehoben haben. Das Ziel dieser internationalen Vereinbarung ist die Schaffung einer globalen Rahmenordnung, welche die Beilegung internationaler kommerzieller Streitigkeiten erleichtert und möglich machen soll.

Die Singapur-Konvention stellt gewissermaßen eine vorgerichtliche, deutlich billigere und schnellere Ebene der Konfliktlösung dar, die allerdings das freiwillige Einverständnis der beteiligten Konfliktparteien voraussetzt. „Dies wird helfen, internationalen Handel, Geschäfte und Investitionen voranzubringen“, gab sich Singapurs Premierminister Lee Hsien Loong bei der Unterzeichnungszeremonie optimistisch.

Das klingt, als sei die Singapur-Konvention gewissermaßen das Produkt des US-amerikanisch-chinesischen Handelsstreits. Dem ist nicht so. Singapur wurde seit fünf Jahren verhandelt und reflektiert in gewisser Weise ebenso die letzten Ausläufer der Globalisierungseuphorie in der Obama-Regierung wie ein, sagen wir, asiatisches Bedürfnis nach Ausgleich, praktischer kommunikativer Regelung und gegenseitigem Vorteil. Singapur entspricht in seinen anti-hierarchischen Intentionen den Konzepten der „Belt and Road Initiative“ (Neue Seidenstraße). Es ist so ziemlich das Gegenteil dessen, was die „America-first“-Trump-Regierung nun durchzieht: Handelsvereinbarungen mit vorgehaltener Waffe.

Der kleine Stadtstaat Singapur (722 Quadratkilometer, 5,6 Mio. Einwohner) leidet erheblich unter dem USA-China-Konflikt. Singapur, einer der gefeierten neoliberalen vier „asiatischen Tiger“, ist einer der zentralen offenen Handelsplätze Asiens, für die internationale Schifffahrt in strategisch herausragender Lage. 24 Prozent der Singapur-Exporte gehen nach China und Hongkong. Internationale Handelskonflikte sind hier unmittelbar spürbar. Die Nicht-Öl-Exporte Singapurs fielen im Mai um 15,9 Prozent, darunter die Exporte nach China um 23,3 Prozent, nach Hongkong um 24,8 Prozent. Viele asiatischen Zulieferer der Volksrepublik leiden erheblich unter dem Handelskrieg. Die von US-Zöllen betroffenen chinesischen Firmen ordern ihrerseits natürlich weniger bei ihren Zulieferern. Die Verluste Singapurs betrafen hauptsächlich den Elektroniksektor mit einem Jahresverlust von 31,4 Prozent. Der aus imperialer Sicht existenzielle Kampf um die führende IT-Technologie hat globale Auswirkungen. Die globalen Produktions-Netzwerke werden gerade neu sortiert.

Die erstaunliche Unterzeichnung der Singapur-Konvention durch die Trump-Regierung dürfte ihre Begründung in der Freiwilligkeit der Mediation finden. Man kann, aber muss ja nicht. Der Kampf gegen die als „revisionistische Mächte“ markierten Staaten Russland und China hat allerdings geostrategische Dimensionen. Das Imperium ist offenkundig gewillt, seine dominante Position mit Zähnen und Klauen zu verteidigen. Hier handelt es sich nicht um eine Marotte des US-Präsidenten, so erratisch und unberechenbar er im Detail auch agieren mag. Diese strategische Linie wird fast vom gesamten US-Establishment geteilt. Sie wird sich auch kaum ändern, wenn Donald Trumps Wiederwahl 2020 scheitern sollte.

Laut Goldman Sachs haben sich die Befürchtungen verstärkt, dass der „US-China Trade War“ in eine globale Rezession münden könnte. Auch die regierungsnahe Investmentbank geht nicht mehr von einem Deal vor den Präsidentschaftswahlen aus. Man habe die Annahmen über die Einflüsse des Handelskrieges auf das Wachstum heraufgeschraubt, so die Goldman-Ökonomen. Handelskriege sind leicht zu gewinnen, hatte der US-Präsident im Gefühl imperialer Überlegenheit getönt. Von „leicht“ kann keine Rede sein. Und wer „gewinnt“, wird sich noch zeigen.

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"Asiatische Entspannungsversuche", UZ vom 16. August 2019



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