Die Ankündigung der EU-Kommission, zum 1. Juli auf die schon bestehenden zehnprozentigen Zölle für Elektroautos aus China weitere Zölle zwischen – je nach Marke – 17 und 38 Prozent draufzupacken, hat zu heftigen Reaktionen sowohl in China als auch in Europa und hier vor allem in Deutschland geführt.
Wie feucht die Finger der Kommission beim Anpacken dieses schon länger im Schmiedefeuer liegenden heißen Eisens sind, wird schon daran deutlich, dass sie die Zölle mit dem Wörtchen „vorläufig“ versehen hat. Sie sollen zunächst bis zum Herbst erhoben werden. Aber nur, wenn die betroffenen chinesischen Konzerne oder der chinesische Staat nicht noch einlenken. Die EU-Kommission unterstellt ihnen eine Subventionierung der Elektroautos. Diese sei zurückzunehmen oder China selbst solle Exportbeschränkungen beschließen.
Die EU-Kommission bietet nun „Gespräche“ an. Die darf, wenn auch mit eingeschränktem Mandat, der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) führen. Habeck ist am Mittwoch (nach Redaktionsschluss) zu einer fünftägigen Reise nach Korea und China aufgebrochen. Unter der Überschrift „Die G 7 schwingt die Zollpeitsche gegen China“ hatte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) am vergangenen Samstag berichtet, Habeck habe mit Blick auf den Beschluss der EU-Kommission und seine eigene Reise die Regierung in Peking aufgefordert, „sie solle die Chance zum Dialog nutzen“. Die FAZ fügte jedoch hinzu: „Wie viel Habeck erreichen kann, bleibt abzuwarten. Sein Sprecher betonte am Freitag: ‚Der Minister verhandelt dort nicht für die EU-Kommission.‘ Diese sei am Zug.“
Das riecht nach einer Mischung aus Arroganz und Durcheinander im Lager der Spätkolonialisten. Mit im Gepäck hat Habeck den Hinweis seiner Parteifreundin und Außenministerin Annalena Baerbock, die dem „Handelsblatt“ zu Protokoll gab, Handelskonflikte seien zwar nicht im deutschen Interesse, aber gleich den Satz nachschob: „Wegducken und Ausblenden von Realitäten rettet einen ebenso wenig.“
Das chinesische Handelsministerium antwortete auf den bevorstehenden Angriff kühl. Die EU habe „die Fakten und Welthandelsorganisationsregeln ignoriert“. Bei der Erhöhung der Zollschranken gegen chinesische High-Tech-Produkte handele es sich um einen „rein protektionistischen Akt“, der den Wettbewerb zerstöre. Das chinesische Handelsministerium forderte die EU zudem auf, „ihre falschen Schritte zu korrigieren“. Das sieht nicht nach einer Last-Minute-Einigung kurz vor Mitternacht zwischen dem 30. Juni und 1. Juli aus.
Also werden die Zollbehörden für jedes Elektroauto des chinesischen Herstellers BYD 17,4 Prozent Zusatzsteuer erheben, von Geely 20 Prozent und von SAIC sogar 38,1 Prozent. Dieser Wert ergebe sich, erläuterte die Kommission, daraus, dass „SAIC in dem Verfahren nicht kooperiert“ habe. Die Kolonialherrenattitüde stößt sich ein wenig mit der Berechnung von Zöllen hinter dem Komma, die bei den anderen Firmen mit einer angeblich sorgfältigen, nach „objektiven Maßstäben berechneten, von einer politischen Entscheidung oder Protektionismus“ freien Prüfung von staatlichen Hilfen während der ganzen Produktionskette erfolgt sei.
Das mag glauben, wer will – das glaubt noch nicht einmal die FAZ, die am 13. Juni unter der Überschrift „Autozölle à la Trump“ mit Blick auf die deutsche Autoindustrie feststellte: „Der nun unweigerlich folgende Handelskrieg dürfte vor allem die deutsche Wirtschaft treffen.“ Das wird vor allem deshalb so sein, weil die preisliche und technische Überlegenheit der chinesischen Produkte eben nicht an staatlichen Hilfen hängt, sondern daran, wie diese von jedem Kommunismus-Verdacht freie Zeitung die EU aufforderte, anzuerkennen, „dass die Chinesen vielleicht einfach bessere Elektroautos bauen“.