Ein Reisebericht aus der Volksrepublik China – Teil 1

Armutsbekämpfung und Wolkenkratzer

Im Frühjahr dieses Jahres hat Renate Koppe, Internationale Sekretärin der DKP, an einer Delegationsreise in die VR China teilgenommen. Für UZ berichtet sie in einem zweiteiligen Artikel von ihren Eindrücken auf den verschiedenen Stationen der vierzehntägigen Reise.

In den letzten Jahren hat die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) zunehmend internationale Aktivitäten zur Zusammenarbeit mit Schwesterparteien in allen Teilen der Welt entwickelt. In diesem Jahr wurde die DKP zu einer Delegation eingeladen, an der Genossinnen und Genossen aus 21 kommunistischen Parteien Afrikas, Nord- und Südamerikas, Asiens und Europas teilnahmen, darunter auch je ein Vertreter aus den sozialistischen Ländern Kuba und Vietnam.

Die zweiwöchige Reise führte die Delegation nach Peking sowie in die Provinzen Anhui und Jiangsu, beide im Osten Chinas. Mit einer Ausnahme haben wir vor allem große Städte besucht – die Hauptstadt Peking (über 20 Millionen Einwohner), die Hauptstadt der Provinz Anhui, Hefei (knapp 10 Millionen Einwohner), Chizhou in Anhui (mit 1,6 Millionen Einwohnern eine eher „kleine“ Stadt), Su­zhou (12,8 Millionen Einwohner) und die Hauptstadt von Jiangsu, Nanjing (knapp 10 Millionen Einwohner).

Inhaltlicher Schwerpunkt der Delegation war die theoretische und praktische Tätigkeit der KPCh. Wir besuchten mehrere Parteischulen auf unterschiedlichen Ebenen, Lehrstühle für Marxismus an Universitäten, Parteizentren in Wohngebieten, aber auch private Großbetriebe mit ausländischer Beteiligung.

Wolkenkratzer und Stadtteilzentren

Was uns in allen Städten auffiel, waren die vielen Neubauten – Hochhäuser mit mehreren Dutzend Stockwerken, darin Wohnungen. Gebaut wurde sowohl im Zentrum als auch am Rand der Städte. Schon auf dem Weg vom Flughafen ins Zentrum von Peking waren viele solcher Wohnsiedlungen zu sehen. In den meisten Fällen befinden sich gut besuchte Grünflächen und Parks in unmittelbarer Nähe. Wir erfuhren, dass solche Wohnungsneubauten oft den Arbeitsstätten der Bewohner benachbart sind, sowohl im Fall von großen Betrieben als auch von Verwaltungseinrichtungen. Die Internationale Abteilung des Zentralkomitees (ZK) der KPCh bildet dabei keine Ausnahme – auch die dort Beschäftigten leben zum großen Teil in solchen Wohnhäusern. Der Vizeminister – der Leiter einer Abteilung beim ZK der KPCh hat Ministerrang –, der uns herumführte, zeigte uns, in welchem Hochhaus er mit seiner Familie wohnt.

In solchen Wohngebieten ist die KPCh sehr aktiv. In großen Wohnblocks gibt es eigene Parteikomitees, gewählt von den dort lebenden Parteimitgliedern. In diesen Quartieren gibt es häufig von der Partei organisierte Stadtteilzentren. In Baohe, einem Stadtteil von Hefei, haben wir ein solches Zentrum besucht. In dem entsprechenden Wohngebiet leben etwa 150.000 Menschen. Das Stadtteilzen­trum bietet Sozialberatung durch Sozialarbeiter sowie Musik- und Kunstkurse für Kinder und Erwachsene an; auch Verwaltungsdienstleistungen können dort in Anspruch genommen werden. Alleinstehende ältere Bürger werden unterstützt. Manches erschien uns ungewöhnlich und gewöhnungsbedürftig. So werden zum Beispiel elektronisch Daten über den Stromverbrauch erfasst. Wenn dabei etwa festgestellt wird, dass ein Rentner nur noch wenig Strom verbraucht, könnte ein Notfall vorliegen. Dann wird der Betreffende besucht, um zu schauen, ob Hilfe nötig ist.

Ein ähnliches Stadtteilzentrum haben wir in Nanjing besucht. Dort gibt es zusätzlich zu den Angeboten, die wir schon aus Hefei kannten, eine Abteilung speziell zur Beratung vor allem kleiner Unternehmer und Selbstständiger im Stadtteil, unter ihnen auch viele Parteimitglieder.

Hightech im Sozialismus

Die Delegation besuchte auch einige private Großunternehmen im Hightech-Bereich, darunter iFLYTEK in der Provinz Anhui – ein Unternehmen, das sich mit Künstlicher Intelligenz – unter anderem für Übersetzungssysteme – befasst und auch international aktiv ist. In diesem Unternehmen gibt es auf allen Ebenen – von den Unterabteilungen bis zur Führungsebene –Parteikomitees. Auf großen Tafeln werden die Parteisekretäre in den einzelnen Arbeitsbereichen genannt. Auch auf höchster Ebene ist das Parteikomitee in die Leitung des Betriebs eingebunden. Es fungiert dabei auch als Ansprechpartner für die Beschäftigten bei Problemen, während die Gewerkschaftsorganisation – so unser Eindruck – eher für kulturelle Veranstaltungen, für die Organisation von Urlaubsreisen und Ähnliches zuständig ist.

Karte Chinareise Renate neu - Armutsbekämpfung und Wolkenkratzer - Armutspolitik, China-Besuch, KPCh, Sozialismus - Hintergrund
Die Stationen der Delegationsreise an der Ostküste Chinas.

Bei einer späteren Diskussion mit Vertretern der Bezirksleitung der KPCh in Anhui wurde die Frage aufgeworfen, was bei Konflikten oder Meinungsverschiedenheiten zwischen der Partei und der (kapitalistischen) Betriebsleitung geschieht. Die Antwort war, dass eine Lösung gefunden wird. Das einvernehmliche Suchen nach Lösungen hat in China eine sehr lange Tradition, die bis heute fortwirkt und ganz offensichtlich auch die Formen des Klassenkampfs beim Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft bedingt.

Unternehmen verschiedener Größe – auch solche aus dem kapitalistischen Sektor – sind finanziell sehr stark an der gesellschaftlichen Entwicklung vor Ort beteiligt. In der Diskussion mit den chinesischen Genossen kam aus unserer Delegation mehrfach die Frage, wie das gewährleistet wird, weil es ja nun nicht eben in der Natur kapitalistischer Unternehmen liegt, sich so zu verhalten. Nach längerer Diskussion wurde klar, dass dies eine Voraussetzung dafür ist, dass Unternehmen überhaupt tätig sein können – auch dies eine Form des Klassenkampfs, auch wenn es oft nicht so genannt wird.

Raus aus der Armut

Ein wichtiges Thema in der VR China ist die Armutsbekämpfung – die absolute Armut nach UN-Kriterien wurde erfolgreich beseitigt.

In der Provinz Anhui wurden 4,8 Millionen Menschen aus absoluter Armut befreit. Es handelte sich dabei um etwa 3.000 Dörfer in 31 Bezirken. Derzeit gibt es in der Provinz 33 Projekte zur Verbesserung des Lebensstandards, dazu gehört auch ein verbesserter Zugang zu Trinkwasser. Geplant ist die Verdoppelung des Einkommens der ländlichen Bevölkerung. In den letzten zehn Jahren gab es im Durchschnitt ein jährliches Wachstum von 9,2 Prozent. Ziel ist unter anderem die Verringerung des Unterschieds zwischen Stadt und Land, um so auch die Arbeit in ländlichen Gebieten attraktiver zu machen. Dazu gehört auch die Optimierung der Verkehrsinfrastruktur – so soll auch in ländlichen Bereichen der Krankenwagen im Notfall nach 15 Minuten vor Ort sein. Gleichzeitig wurde in Anhui der CO2-Ausstoß um 21 Prozent reduziert, der Energieverbrauch um 14 Prozent. Die Projekte werden weitergeführt, da verhindert werden muss, dass Menschen in Armut zurückfallen.

Jede Behörde in der Provinz hat ein Patendorf, dessen Entwicklung sie betreut – auch durch den Einsatz von Personal. Damit ist Anhui keine Ausnahme: Bei der Internationalen Abteilung des ZK in Peking befinden sich beispielsweise drei neu gepflanzte Apfelbäume – das Geschenk eines Bezirks, in dem die Internationale Abteilung bei der Armutsbekämpfung geholfen hat. Viele Mitarbeiter waren dort jeweils für einige Monate als Unterstützer tätig.

Wie weit die Entwicklung vorangeschritten ist, erfuhren wir nebenbei beim Besuch eines Teeverarbeitungswerks in Chizhou. Dort gab es noch in den 1950er Jahren überhaupt keinen Strom – heute ist Chizhou eine moderne Stadt, in der der Wohnraum weiter ausgebaut wird.

Nur an einem Tag haben wir in der Provinz Anhui eine Ortschaft im ländlichen Bereich besucht. Der Boden in urbanen Gebieten gehört in China grundsätzlich dem Staat. In ländlichen Gebieten sind die Dorfgemeinschaften Eigentümer des Landes, an dem einzelne Bauern erbliche Nutzungsrechte haben. Land ist grundsätzlich keine Ware, es kann nicht verkauft werden. Allerdings gibt es Fälle, in denen Dorfgemeinschaften – normalerweise vertreten durch das Parteikomitee – ihr Land ganz oder teilweise an Unternehmen verpachten. Diese investieren dann dort und richten größere landwirtschaftliche Betriebe ein, in denen die Bauern teilweise auch arbeiten. So war es in dem von uns besuchten Dorf. In anderen Fällen gibt es auch Kooperativen der Dorfgemeinschaften.

Im zweiten Teil des Reiseberichts in der kommenden UZ-Ausgabe geht es um internationale Zusammenarbeit, Bildung und die Rolle der Kommunistischen Partei.

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"Armutsbekämpfung und Wolkenkratzer", UZ vom 30. Juni 2023



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