Zu weiterer Verelendung und den Aufgaben von Kommunistinnen und Kommunisten

Armut betrifft Massen

Drei Schlagzeilen der vergangenen Tage: Der Paritätische Armutsbericht bilanziert 13,8 Millionen Arme in Deutschland. 600.000 mehr als vor der Pandemie. Damit sind 16,6 Prozent aller Menschen arm. Der Anstieg betrifft besonders Selbstständige, Rentnerinnen und Rentner, Kinder und Jugendliche. Bei ihnen ist mehr als jeder Fünfte arm. Der größte Ballungsraum der Republik, das Ruhrgebiet, hat eine Armutsquote von 21,1 Prozent. In vielen Stadtteilen ist jedes zweite Kind arm.

Der deutsche Mieterbund warnt vor einer Kündigungswelle, wenn die Nachzahlung der Heizkosten kommt. Viele werden sie nicht bezahlen können und müssen raus aus ihren Wohnungen.

Der Bundesverband der Tafeln geht davon aus, dass bald Menschen auf die Einrichtungen und kostenlose Lebensmittel angewiesen sind, die damit heute überhaupt noch nicht rechnen. Die Anzahl der Menschen, die die Tafeln zum Leben brauchen, stieg von 2018 bis 2019 von 1,5 auf 1,65 Millionen. Aktuelle Zahlen liegen nicht vor, aber Krise, Pandemie, Kurzarbeit, Inflation haben den Bedarf mit Sicherheit explodieren lassen. Die Tafeln sind sicher, dass sie den Ansturm nicht bewältigen können. Schon jetzt müssen sie Bedürftige abweisen.

Die Inflation ist immens hoch. Jeder spürt die Preisspirale, bereits vereinbarte Tarifabschlüsse liegen weit dahinter zurück, die Rentenerhöhung auch, ALG II sowieso und selbst die Erhöhung des Mindestlohns wird aufgefressen.

Wir – Kommunistinnen und Kommunisten, Gewerkschafter, Linke –nehmen diese Zahlen zur Kenntnis, aber nehmen wir sie wirklich ernst genug? Seit Langem gibt es doch in vielen Städten Armutsviertel. Alle wissen, Kinder und Jugendliche, die dort aufwachsen, haben keine Chance, ihre Ernährung ist schlecht, Mangelerscheinungen häufig. Von der Bildung sind sie ausgeschlossen. Die Menschen, die in solchen Vierteln wohnen, sind abgehängt, sie interessieren nicht mehr, resignieren oder haben resigniert. Das muss sich ändern, sie sind unsere Klassenbrüder und -schwestern.

Wir sehen tagtäglich Menschen, die darauf angewiesen sind, Mülleimer nach Pfandflaschen zu durchsuchen. Menschen, die betteln. Wenn wir abends durch Großstädte gehen, sehen wir die Menschen, die keine Wohnung haben und ihre Schlafplätze auf der Straße einrichten.

Und, machen wir uns keine Illusion, das trifft auch uns, unsere Kolleginnen und Kollegen, unsere Genossinnen und Genossen. Auch sie und wir werden Nachzahlungen bekommen, auch bei uns haben viele keine Rücklagen, wissen viele heute schon ihre Rechnungen nicht zu bezahlen und schränken ihre Einkäufe ein.

Unsere Kollektive müssen noch viel stärker Orte der Solidarität, der Hilfe für unsere Genossinnen und Genossen, unsere Kolleginnen und Kollegen, Nachbarn und Freunde werden. Sie müssen noch viel stärker Orte des Kampfes gegen Armut werden.

Die Herrschenden zeigen uns Tag für Tag, dass genug Geld da ist für Rüstung und Stellvertreterkrieg. Die Herrschenden zeigen uns Tag für Tag, wenn Millionen ärmer werden, werden Millionäre reicher. Das zu verbreiten und zu zeigen, dass man sich damit nicht abfinden muss, ist der erste Schritt, um Menschen zu mobilisieren, gegen ihre Armut zu kämpfen. Der Kampf gegen Armut ist zentraler Bestandteil des Kampfes gegen Hochrüstung, Krieg und deutsche Großmachtambitionen. Armut betrifft Massen und ist kein individuelles Problem. Trotzdem wird Armut oft als solches behandelt oder als individuell verschuldet angesehen – das ist Unsinn.

„Reicher Mann und armer Mann / standen da und sahn sich an. / Und der Arme sagte bleich:/ Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich.“ (Bertolt Brecht)

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"Armut betrifft Massen", UZ vom 8. Juli 2022



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