Kambodscha ist neben Laos eines der ärmsten Länder der ASEAN-Gemeinschaft, obwohl diese gerne als die Tigerstaaten und Hotspots für Investoren gelten. Von 17 Millionen Kambodschanern gelten rund 3 Millionen nach den Kriterien der Weltbank als sehr arm und haben weniger als 1,15 US-Dollar am Tag zur Verfügung. Weitere 8 Millionen Menschen haben nur 2,30 US-Dollar pro Tag.
Das Wissen über dieses Land beschränkt sich auch bei vielen Linken auf seine Rolle im Kampf an der Seite Vietnams gegen die Aggression der USA in Indochina, die sich anschließende Schreckensherrschaft durch Pol Pot sowie das Touristenziel Angkor Wat. Tatsächlich ist Tourismus eine der wichtigsten Branchen von Kambodschas Wirtschaft. Mehr als 5 Millionen Touristen besuchten 2017 die zum Weltkulturerbe zählenden Tempel von Angkor Wat und Angkor Thom in der Nähe von Siem Reap.
Kambodschas Wirtschaft ist marktwirtschaftlich ausgerichtet und unterliegt kaum staatlichen Restriktionen. Sie wird geprägt durch Landwirtschaft, kleine Handwerksbetriebe, Dienstleistungen und Handel sowie Geschäfte, wo es auch immer möglich ist. Dazu gehören (leider) auch solche, die als fragwürdig betrachtet werden, wie der illegale Einschlag von Edelhölzern, der Handel mit geschützten Tieren und der Schmuggel von Rauschgift. Solche Geschäfte und die weit verbreitete Korruption sind eines der großen Probleme des Landes.
Rund 45 Prozent der Erwerbstätigen leben von der Landwirtschaft und hier vor allem vom Reisanbau und seinem Export in die EU. Ein zweiter wichtiger Teil in der landwirtschaftlichen Produktion ist der Fischfang am Mekong und seinen Nebenflüssen. Dieser wird immer stärker negativ beeinflusst durch die intensive Nutzung des Flusses zur Energiegewinnung. Vor allem Dammbauten in China und Laos verändern die Wasserstände. Viele Fischarten sind ganz verschwunden, andere zurückgegangen. Besonders betroffen sind die Fischer in der Nähe des Tonle-Sap-Sees, der in besonderer Weise durch den Mekong gespeist wird. Zwei Millionen Menschen sind vom See abhängig. Sie sind angewiesen auf sein Wasser und die mitgeführten Sedimente, die die Böden fruchtbar machen – oder machten. Viele Bauern vor Ort müssen jetzt sogar Düngemittel verwenden, was im weiteren Flussverlauf zu Verschmutzungen führt.
Der größte formelle Arbeitssektor ist die Textilindustrie des Landes mit 400 000 Beschäftigten, davon 90 Prozent Frauen. Die meisten Fabriken befinden sich in ausländischer Hand und nähen für H&M, Zara, C&A und all die anderen billigen und teuren Läden in Europas Shopping-Meilen. Und jetzt droht die manuelle Arbeitskraft der Näherinnen und Schuhmacher auch noch durch Automatisierung und Industrie 4.0 unterboten zu werden. Zirka 88 Prozent der Arbeitsplätze sind nach einer Studie der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) von 2016 stark bedroht.
Die letzten Parlamentswahlen in Kambodscha fanden am 29. Juli 2018 statt. Die Kambodschanische Volkspartei von Hun Sen, der bereits seit 30 Jahren Regierungschef in Kambodscha ist, gewann mit 77 Prozent der abgegebenen Stimmen alle Parlamentssitze. Hun Sen gehörte zu den Befreiern Kambodschas von der Tyrannei Pol Pots im Januar 1978 (siehe UZ vom 18.1.2019). In den westlichen Medien wird er als wahlweise als Diktator, verlängerter Arm Chinas oder als Vasall Vietnams bezeichnet. Der hohe Sieg von Hun Sen kam tatsächlich nur deshalb zustande, weil die bisherige Oppositionspartei CNRP (Partei zur Rettung der kambodschanischen Nation) im November 2017 wegen Hochverrats aufgelöst wurde. Der Vorsitzende der Partei, Oppositionsführer Kem Sokha, war bereits am 3. September unter dem Vorwurf des Hochverrats festgenommen worden. Den Funktionären und gewählten Mitgliedern der Nationalversammlung und lokaler Parlamente wurde ein Betätigungsverbot auferlegt. Proteste gegen die Auflösung dieser Partei blieben allerdings aus, wie selbst die FAZ am 16. 11. 2017 berichtete. Einen großen Rückhalt hatte sie offensichtlich nicht mehr, obwohl sie bei den Parlamentswahlen von 2013 immerhin 55 von 123 Sitzen erringen konnte. Führende Mitglieder hatten bereits in den Monaten zuvor das Land verlassen. Dazu gehört auch die Parlamentsabgeordnete und Stellvertretende Präsidentin der CNRP, Mu Sochua. Sie gehört zu der „internationalen“ Fraktion ihrer Partei. Gemeint sind damit kambodschanische Politiker, die meist in den 60er oder 70er Jahren Kambodscha verließen und häufig eine weitere Staatsbürgerschaft annahmen. Mu Sochua, die auch die US-amerikanische Staatsbürgerschaft besitzt, gehört zu dieser Gruppierung. Im November 2017 besuchte sie Berlin, um dort um Unterstützung für ihre Partei zu werben. Einer der wichtigen Ansprechpartner bei ihrem Besuch in Berlin war die Konrad-Adenauer-Stiftung, die federführend an der Erstellung des CNPR-Parteiprogramms beteiligt war. „Inhaltlich hat diese Partei außer einem antivietnamesischen Chauvinismus wenig zu bieten“, heißt es auf der Internet-Seite „Cambodia-news“.
Zu einem der Schwerpunkte der Politik für die kommenden Jahre hat Hun Sen die Bildungspolitik erklärt. 700 000 Euro sollen für Bildung ausgegeben werden. Dies ist ein Viertel des Haushalts. Neue Schulen in den größeren Städten sind gut ausgerüstet, kosten aber Schulgebühren. 30 Prozent der Plätze sind reserviert für „arme“ Schülerinnen und Schüler. Die Situation auf den Dörfern ist jedoch schwieriger. Dort sind auch die Schulen deutlich schlechter ausgerüstet.