Zur Reallöhnen, Inflationsraten und Gewinnrallye

Arm sein ist teuer

Zwei Pressemitteilungen der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung (HBS) lassen erahnen, mit welchen Trends das neue Jahr für die Menschen beginnt, deren Lebensstandard von Tariflöhnen, Lohnersatzleistungen oder staatlichen Renten abhängig ist.

Viele von ihnen beschlich in den letzten Monaten das Gefühl, dass bei ihnen der Kaufkraftschwund höher war als die offiziellen Inflationsraten. Die Volkswirte von der HBS haben nachgerechnet und festgestellt, dass die „soziale Schere“ sich auch durch die Inflationsprozesse im abgelaufenen Jahr 2022 weiter geöffnet hat: „Einkommensschwache Familien, die von der Teuerung am stärksten betroffene Gruppe, mussten im November mit einer Inflationsrate zurechtkommen, die um 3,5 Prozentpunkte höher lag als bei Alleinlebenden mit hohen Einkommen – seit Jahresbeginn die Gruppe mit der niedrigsten Rate. Gemessen an den für diese Haushaltstypen repräsentativen Warenkörben trugen Familien mit niedrigem Einkommen im November eine Inflationsbelastung von 11,5 Prozent gegenüber 8,0 Prozent bei wohlhabenden Alleinlebenden.“

Damit hinken die Tarifabschlüsse für diese Menschen noch weiter hinter der Geldentwertung her, als wenn deren offizielle 10 Prozent zugrunde gelegt werden. Am 13. Dezember hatte die HBS ihre Analyse der Entwicklung der Tariflöhne in Deutschland für 2022 veröffentlicht: Herausgekommen sind magere 2,7 Prozent gegenüber den Tariflöhnen im Vorjahr. Es wird nicht bei allen so sein, aber bei den genannten Bevölkerungsgruppen laufen diese Zahlen auf die brutale Tatsache hinaus, dass der Wirtschaftskriegskurs des Wertewestens schon zu seinem Beginn, vermittelt vor allem über heftige Inflationsschübe und magere Tarifabschlüsse, zu einem Wohlstandsabrieb um glatt ein Zehntel geführt hat – innerhalb eines Jahres!

Während dem Publikum weiter die Gruselgeschichte von der Lohn-Preis-Spirale vorgegurgelt wird, klopfen sich die Herrschenden in ihren Organen – wie in der „FAZ“ vom 14. Dezember – über eine gelungene Gewinn-Preis-Spirale auf die Schultern: Viele Unternehmen, zeigt eine dort zitierte Studie, nutzen nämlich die Gunst der Stunde, um Marge und Gewinn kräftig auszuweiten und so die Inflation anzuheizen.

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"Arm sein ist teuer", UZ vom 23. Dezember 2022



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