IG Metall setzt 4-Tage-Woche auf die Tagesordnung

Arbeitszeit verkürzen

Die IG Metall hat die alte Forderung der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung nach Arbeitszeitverkürzung wieder auf die Tagesordnung gesetzt. Angesichts eines geplanten und zum Teil schon durchgeführten massiven Stellenabbaus in der Metall- und Elektroindustrie hat der Vorsitzende der größten Einzelgewerkschaft, Jörg Hofmann, am 15. August in einem Interview in der „Süddeutschen Zeitung“ die Einführung der 4-Tage-Woche als Mittel zur Sicherung von Beschäftigungsverhältnissen vorgeschlagen. Wie die Vier-Tage-Woche konkret ausgestaltet werden soll, muss allerdings noch in den Gremien der Gewerkschaft beraten werden.

Geht es nach dem Vorsitzenden, soll die 4-Tage-Woche als Option in Zukunft allen Betrieben der Metall- und Elektroindustrie offen stehen und mit einem „gewissen“ Lohnausgleich verbunden sein, damit es sich die Kolleginnen und Kollegen leisten können. Außerdem soll es Anreize geben, die gewonnene freie Zeit für berufliche Fortbildung zu nutzen.

Die Antwort der Kapitalseite ließ nicht lange auf sich warten. Zwei Tage später kritisierte die „Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände“ (BDA) den Vorschlag. Man brauche, um die wirtschaftliche Krise zu überwinden, mehr Arbeit und nicht weniger, argumentierte BDA-Geschäftsführer Steffen Kampeter. Allerdings verschweigt dieser, dass Arbeitszeitreduzierung bereits in der Krise 2008/2009 in einigen Betrieben praktiziert wurde. Auch in diesem Sommer haben Unternehmen der Automobilindustrie wie Bosch, ZF und Daimler längst Vereinbarungen zur Reduzierung der Arbeitszeit getroffen. Dies geschah jedoch ohne Lohnausgleich.

Die These der Kapitalseite von notwendiger Mehrarbeit in der Krise wird ausgerechnet durch eine Untersuchung aus deren eigenen Reihen widerlegt. So gab Hessenmetall bereits für den Monat Mai an, dass fast jeder zweite Beschäftigte in der Metall- und Elektroindustrie in Hessen auf Kurzarbeit gesetzt ist oder in den nächsten Wochen damit rechnen muss. Diese Befunde kann man problemlos auf andere Bundesländer übertragen und die Gesamtsituation hat sich in den letzten Monaten alles andere als verbessert. Daher ist zu erwarten, dass die aktuelle Weigerung der Kapitalseite, über Arbeitszeitreduzierung zu sprechen, vor allem als Verhandlungsmasse in der anstehenden Tarifrunde im Herbst dienen wird.

Wahrscheinlicher ist es, dass es in den anstehenden Tarifverhandlungen und möglichen Arbeitskämpfen letztlich um die Frage gehen wird, wie Arbeitszeitreduzierung konkret ausgestaltet sein wird. Handelt es sich hier um einen begrenzten Zeitraum und die Arbeitszeit wird dann wieder angehoben, sobald das Kapital wieder mehr menschliche Arbeitskraft benötigt? Oder gelingt es der IG Metall, dauerhaft mehr freie Zeit für die Kolleginnen und Kollegen zu erkämpfen? Wird die Arbeitszeitreduzierung mit vollem oder zumindest einem anteiligen Lohnausgleich verbunden sein?

Hierüber werden die Kräfteverhältnisse zwischen Kapital und Arbeit entscheiden. Die Rahmenbedingungen für die Metallerinnen und Metaller und ihre Gewerkschaft werden jedenfalls nicht einfach sein. Denn die Metall- und Elektroindustrie gehört zu den Branchen, die besonders von den Transformationsprozessen und den damit verbundenen Veränderungen in der Produktion betroffen sind. Die Folge hiervon sind großangelegte Umstrukturierungsprozesse bei Unternehmen wie Bosch, Conti oder Siemens, denen vor allem die gut organisierten Belegschaften in den Werkshallen zum Opfer fallen könnten. Trotz dieser schwierigen Ausgangslage wird sich die IG Metall auf den Weg machen und in den kommenden Wochen in ihren Gremien und in den Betrieben über Lösungsvorschläge diskutieren. Dies wird insbesondere auch in den Tarifkommissionen geschehen. Dort entscheiden gewählte Vertreterinnen und Vertreter aus den Betrieben und den Geschäftsstellen vor Ort über die Forderungen der IG Metall in den Tarifverhandlungen im Herbst.

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"Arbeitszeit verkürzen", UZ vom 28. August 2020



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